Michelangelo: Die Deckenfresken der Sixtinischen Kapelle
Beschreibungen der Bildinhalte des großen Werks von Michelangelo Buonarroti (1475-1564) in der berühmten Kapelle des Apostolischen Palastes in Rom
(Hinweis: Diese Seite ist Bestandteil der Themenseite „Renaissance/Hochrenaissance“, die in Kürze erscheinen wird!)
Die gesamte Geschichte dieses Großauftrags – von den ersten Planungen bis zu der Fertigstellung – ist voller Fragen, zum Beispiel: Warum floh Michelangelo aus Rom, nachdem bekannt wurde, dass er nicht das Julius-Grabstätte zu Ende führen, sondern in der Sixtinischen Kapelle malen sollte? Hatte Michelangelo vom Papst Julius II. „freie Hand“ bekommen, was die Ausgestaltung der Decke betraf? Wessen Idee war es, statt des traditionellen Sternenhimmels ein derart komplexes Freskenbildnis zu erstellen?
Tatsächlich hatte Michelangelo endlich eine (heute nicht mehr existierende) überlebensgroße Bronzestatue eines kämpferischen Papstes, Julius II., fertiggestellt – und rechnete nun damit, endlich an dessen Grabstätte weiterarbeiten zu können. Doch der Papst hatte nun andere Pläne, verärgerte damit offensichtlich Michelangelo, der wiederum mit einer Rückkehr nach Florenz 1506 Julius II. brüskierte.
Schließlich machte sich Michelangelo doch an die Vorbereitungen der Arbeiten in der Sixtinischen Kapelle. Wo sich bis dato ein Sternenhimmel zeigte, sollte nach ersten Gedanken des Papstes eine Ausgestaltung mit den 12 Aposteln entstehen.
Michelangelo gedachte Größeres als eine derartige „ärmliche Sache“ – und entwickelte die Idee der Darstellung vieler Figuren und Themen, im Mittelpunkt stehend die Geschehnisse der alttestamentarischen Genesis mit Schöpfung, dem ersten Menschenpaar und der Sintflut.
Für die folgenden Informationen zu den einzelnen Bildern dienten mir als Grundlage die Erklärungen von Horst Bredekamp in seinem voluminösen Standardwerk über den großen Renaissancekünstler Michelangelo (S. 254 ff., zur Literatur). Darin sind auch ausführliche Informationen zu den ersten Plänen, den Arbeitsbedingungen, den sich entwickelnden Konzeptionen und Vorarbeiten sowie zu der Ausführung zu finden (S. 209 ff.).
Die Deckenhöhe lag bei 20 Metern, weshalb ein Gerüst vonnöten war, welches zunächst wohl Bramante erstellte, Michelangelo aber abbauen ließ und ein eigenes installierte. Die ca. 35 Meter lange, ca. 14 Meter breite, anstrengend über Kopf zu bemalende Fläche maß über 500 Quadratmeter, über 100 große und zahlreiche weitere, kleinere Figuren sollten am Ende zu sehen sein. Von 1508 bis 1512 (mit einer ca. einjährigen Unterbrechung) arbeitete Michelangelo daran, allerdings nicht ganz allein, wie zeitweise gern kolportiert wurde. Er hatte durchaus einige Helfer.
Kurz zu dem Gesamtbild unten und seinen Inhalten: Nr. 1 bis 9 mit jeweils drei Bildern Schöpfung, Adam und Eva sowie die Sintflut; Nr. 10-13 Eckzwickel (eine spitz zulaufende Fläche) mit Darstellungen von errettenden Taten einzelner Personen mit der Hilfe Gottes; Nr. 14-24 die Seher, also Propheten und Sibyllen; Nr. 25-38 Lünetten (auch „Bogenfelder“, halbkreisförmig gerahmte Wandfelder) mit den Vorfahren Jesu Christi.
Tipp: Fahren Sie mit der Maus über die Zahlen und es erscheint jeweils eine Erklärung. Beim Handy stehen die Anmerkungen unter dem großen Bild. Die „1“ findet sich unten in der Mitte! Hinweis: Nachweise für die Public-Domain-Bilder finden sich unten!
Grundlage: „3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. 4 Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis 5 und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.“ (Genesis 1, 3–5, Einheitsübersetzung). Zu sehen ist Gottvater, der mit seinen Händen Licht und Finsternis voneinander zu trennen sucht. Die Trennung scheint ein anstrengender Akt zu sein, mit dem Gott Tag und Nacht schuf und damit die Zeit, einen Tag. Auch die Fähigkeit zu sehen wird dadurch erzeugt, allerdings ist der Blick Gottes nicht zu sehen! Das lässt „offen, ob er bereits gezielt blickt oder noch blind oder diffus sein Werk betrachtet.“ (Bredekamp: Michelangelo, 2021, S. 254) Ist hier also zugleich eine Anspielung auf das Jüngste Gericht zu sehen, „Licht und Finsternis, Symbol der Trennung von Gut und Böse“, wie die Beschriftung zum Bild in „Die Sixtinische Kapelle“ (Benziger Verlag, Zürich 1993, S. 180) aussagt?
Grundlage: 3. und 4. Schöpfungstag nach Genesis 1, 9–19, u.a. die Trennung von der oberen und unteren Wasser sowie des Festlandes. Vers 12: „Die Erde brachte junges Grün hervor, Gewächs, das Samen nach seiner Art bildet, und Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war. 13 Es wurde Abend und es wurde Morgen: dritter Tag. 14 Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen als Zeichen für Festzeiten, für Tage und Jahre dienen.“ Zweimal ist Gottvater zu sehen, rechts trennt er sozusagen die Lichter, die Sonne steht für den Tag, der Mond rechts für die Nacht. Hier zeigt sich erstmals sein Gesicht, ein grauhaariger, älterer, streng schauender Herr mit viel Energie und Kraft, dem seine deutlich kleineren Engel zur Seite stehen. Im linken Teil zeigt er auf die Erde, auf das geschaffene Grün – und dass Michelangelo hier Gott mit einem nackten Hinterteil malte ist nach Markus Hofer „die vermutlich gröbste ikonografische Entgleisung der christlichen Kunst“ (Das Heilige und das Nackte: Eine Kulturgeschichte. Innsbruck/Wien 2022, S. 160). Hofer bringt es mit einem „vielleicht“ in Verbindung mit der Bitte von Moses an Gott, ihn sehen zu dürfen, was dieser ihm gewährt, aber nur von hinten, nicht sein Angesicht (Exodus 33, 18-23). Dass der nackte Hintern sogar direkt über dem Altar hängt, könne „vielleicht“ auch als Rache an Papst Julius II. angesehen werden, dessen Gesichtszüge in das Bildnis von Gottvater eingeflossen sein könnten: als Rache für seine Abberufung Michelangelos von der Fertigstellung des Grabmonuments (s. den Einleitungstext oben).
Bei diesem Bild mag man zunächst an den 2. Vers von Genesis 1 denken: „(…) und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser“. Doch da war es noch dunkel – hier hingegen ist es hell, während Gott über dem Wasser schwebt, nun mit puttenähnlichen Engeln, die den Schutz seines Gewands in Anspruch nehmen.
Und doch: Was stellt das Bild dar? Bredekamp (Michelangelo, Berlin 2021, S. 256) folgt der Interpretation von Ascanio Condivi (1525-1574) Schüler und Mitarbeiter Michelangelos und sein Biograph, der hier den 5. Schöpfungstag sieht: „20 Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels. 21 Und Gott schuf große Seeungeheuer und alles Getier, das da lebt und webt, davon das Wasser wimmelt, ein jedes nach seiner Art, und alle gefiederten Vögel, einen jeden nach seiner Art.“ (Genesis 1, 20-21)
Fliegende oder schwimmende Tiere sind auf dem Bild freilich nicht zu sehen, nur Wasser unter dem Gottvater. Daher sah der Biograph italienischer Künstler, Giorgio Vasari (1511-1574), hier eher die Trennung des Wassers vom Land – aber auch Land ist hier nicht zu sehen … Mit diesem Bild endet das Thema „Schöpfung“. Es folgen die Bilder zur biblischen Erzählung über das erste Menschenpaar, Adam und Eva.
„7 Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen“, lautet der Vers aus Genesis 2,7, der die Erschaffung des ersten Menschen, Adam, schildert. Und darum geht es auch in dem wohl bekanntesten Bild der Decken-Fresken Michelangelos. Durch einen Fingerzeig Gottes wird Adam ins Leben gerufen, also beseelt. Dass dieser Schöpfungsakt ein heilender Gnadenakt sei, weil die rechte Hand Adams in ihrer Haltung wie die eines Krüppel wirkt – so Bredenkamp (Michelangelo, Berlin 2021, S. 257). Ganz überzeugt diese Begründung nicht. Interessant erscheint, dass Adam in Größe und Körperform nahezu identisch zu Gottvater wirkt – ein Verweis auf die erste, aber vermutlich jüngere der beiden voneinander verschiedenen Schöpfungsgeschichten der Genesis: „Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich“ (1,26)?
Interessant sind noch die Spekulationen darüber, wer die junge Frau ist, um die Gottvater seinen linken Arme gelegt hat: Einige Gelehrte meinen Eva zu „erkennen“, die zwar noch nicht erschaffen war, aber von der Gott bereits eine Vorstellung hatte. Auch die in dem Gewand unterhalb Gottes versteckten Gestalten geben Anlass zur Diskussion, scheinen sie doch mit dem eigentlichen Geschehen nicht verwoben zu sein – sind es Luzifer und seine Gefährten (s. Bredenkamp: Michelangelo, Berlin 2021, S. 258)?
Grundlage des folgenden Bildes ist die Genesis-Textstelle aus dem 2. Kapitel: „21 Da ließ Gott, der HERR, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, sodass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch. 22 Gott, der HERR, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu.“ Eine Berührung findet auch bei diesem Schöpfungsakt, dieser Beseelung nicht statt: Gottes rechte Hand macht eine Bewegung nach oben und Eva steht auf. Auch bei der Schöpfung Adams berührten sich die beiden Zeigefinger nicht.
Der Sündenfall und die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies ist das Thema des dritten und letzten Bildes über das erste Menschenpaar, das in der Genesis 3,1-24 erzählt wird. Das Bild besteht aus zwei Hälften, die durch den Baum der Erkenntnis getrennt sind – ja es ist sogar ein Kreuz angedeutet durch den Ast nach links und den Engel mit seinem linken Arm und dem Schwert. Wie Bredenkamp (Michelangelo, 2021, S. 259) gut beobachtet hat, ist das Gesicht Evas auf Höhe von Adams Geschlechtsteil, wenngleich Eva in die andere Richtung schaut. Ggf. wollte Michelangelo damit die Sünde, das Essen der verbotenen Frucht, auch mit der sexuellen Lust in Verbindung bringen.
„Im Widerspruch zum Bibeltext sind sowohl Versuchung als auch Ursünde keinesfalls als weiblich charakterisiert, weil Adam, der sich ebenfalls nach der verbotenen Frucht streckt, der aktivere ist“, merkt Bredekamp (Michelangelo, 2021, S. 259) noch an, und verweist auf Michelangelos „kategorische Weigerung, (…) geschlechtsspezifischen Wertungen zu entsprechen.“
„20 Dann baute Noach dem HERRN einen Altar, nahm von allen reinen Tieren und von allen reinen Vögeln und brachte auf dem Altar Brandopfer dar.“ (Genesis 8,20) Mit diesem Bild beginnt das letzte Thema: Noah. Nach der Sintflut verließ er mit seiner Familie die Arche. Ihnen folgten „alle Tiere, alle Kriechtiere und alle Vögel, alles, was sich auf der Erde regt“ (Verse 18 und 19). Die Dankesopferung begann und Gott versprach, nie wieder alles Lebendige zu vernichten. Auf dem Bild sind Noah, seine Frau, weitere Personen sowie Ignudi, nackte, muskulöse junge Männer, zu sehen. Vorne befinden sich ein getöteter Widder, ein lebender, links hinten ein Stier und ein Pferd sowie ein Elefant (siehe den nach oben gehobenen Rüssel).
Interessanterweise steht dieses Bild an 7. Stelle, erst danach kommt das Bild der Sintflut. Das führte zu einigen anderen Interpretationen des Inhalts. Condivi, der Schüler und Biograph Michelangelos, nahm an, dass hier ein anderes Opfer dargestellt wird. Heute wird allgemein angenommen, dass es dem Künstler um die oben angeführte Opferung nach der Flut ging. Entweder hat Michelangelo für das aufwendigere Sintflut-Bild die folgende größere Fläche nehmen wollen (s. Bredekamp: Michelangelo. 2021, S. 261) oder dass er in umgekehrter Reihenfolge (auf dem großen Gesamtbild auf dieser Website) von oben nach unten ein Tryptichon einer Symbolisierung Jesu darstellen wollte: die Fleischwerdung, die Taufe und das Opfer (s. Die Sixtinische Kapelle, Zürich 1993, S. 74).
Für mich ist das Bild der Sintflut (nach Genesis 6 und 7) das beeindruckendste Bild der Bilderreihe. Viele Figuren, vielfältige Emotionen und eine faszinierende Darstellung von Menschen, die im Angesicht des Todes unterschiedlich reagieren: Trauer, Aufgabe, Wut, Verzweiflung, Gewaltbereitschaft. Noah, seine Familie, die Arche sind hier nicht das Thema: Die Arche schwimmt im Hintergrund auf dem Wasser, Gott hat die Arche längst geschlossen (s. Genesis 7,16), lediglich Noah ist zu sehen, wie er die Hand zum Himmel reckt und Die weiße Taube flattert schon einsatzbereit, auch wenn sie erst später wichtig wird. An die Proportionen der Arche, die in der Genesis genannt werden (6,15: „Dreihundert Ellen lang, fünfzig Ellen breit und dreißig Ellen hoch soll sie sein.“) hat sich Michelangelo nicht gehalten, denn der Fokus liegt nicht darauf – er liegt auf die Zurückgebliebenen, die nun merken, dass Noah recht behalten hatte und es nun kein Entrinnen, kein Überleben mehr geben wird.
Drei Szenen stehen im Vordergrund: 1) links eine Anhöhe, die Menschen angestrengt besteigen, mit einem Baum, auf den eine Frau geklettert ist, mit Kindern, die sich an die Mutter klammern oder um die Mutter weinen, die kraftlos auf dem Boden sitzt; 2) mittig ein einfaches Boot (ein Nachen), mit dem Menschen versuchen, zur Arche zu kommen – einige haben dies auch geschafft, die weiteren entweder helfen oder sie brutal mit einer Axt töten wollen -, und 3) rechts ein Felsplateau mit einer Menschengruppe, die sich mit einem großen Tuch vor dem Sturm schützen möchte, mit Menschen, die weinen, verzweifelt schauen, hoffnungslos blicken. Fast hat man den Eindruck, dass allein der Esel links ein Lächeln zeigt …
„21 Er trank von dem Wein, wurde davon betrunken und entblößte sich drinnen in seinem Zelt. 22 Ham, der Vater Kanaans, sah die Blöße seines Vaters und erzählte davon draußen seinen beiden Brüdern. 23 Da nahmen Sem und Jafet einen Überwurf; den legten sich beide auf die Schultern, gingen -rückwärts und bedeckten die Blöße ihres Vaters. Sie hatten ihr Gesicht abgewandt, sodass sie die Blöße ihres Vaters nicht sahen. 24 Als Noach aus seinem Weinrausch erwachte und erfuhr, was ihm sein jüngster Sohn angetan hatte, 25 sagte er: Verflucht sei Kanaan. / Sklave der Sklaven sei er seinen Brüdern!“ (Genesis 9,21-24)
Die Geschichte um die Trunkenheit Noahs beendet die Dreiheit Schöpfung, erstes Menschenpaar und Noah in den Fresken zum Buche Genesis. In die vollkommene Schöpfung stieß das Böse, und auch durch die Vernichtung fast des gesamten Lebens auf der Erde konnte das Gute nicht siegen. Noahs Sohn Ham erzählte seinen Brüdern Sem und Jafet davon, anstatt verschämt zur Seite zu schauen und ihn zuzudecken – wie es dann die Brüder taten. Vielfach wird diese Geschichte mit einem Hinweis nacherzählt, dass Ham seinen Vater verspottet hatte. Ein Gemälde des italienischen Künstlers Giovanni Bellini (1437-1516) (siehe den Wikipedia-Artikel „Die Trunkenheit Noahs [Bellini]“) beispielsweise zeigt Ham, wie er grinsend direkt auf die Schamgegend des Vaters schaut.
Wie auch immer: Allein das Weitererzählen hätte die Autorität Noahs zunichte gemacht. Warum Noah allerdings nicht seinen Sohn, sondern dessen Sohn Kanaan verfluchte, welche sexuellen Implikationen bei der ganzen Geschichte mitschwangen und welche weiteren Auslegungsmöglichkeiten es gibt, erläutert Prof. Dr. Jan Christian Gertz, evangelischer Theologe und Ordinarius für Alttestamentliche Theologie an der Universität Heidelberg, in einem Artikel für WiBiLex, dem wissenschaftlichen Bibellexikon im Internet der Deutschen Bibelgesellschaft (Artikel „Ham“).
Eckzwickel mit der Darstellung des David, der Goliath enthauptet. „49 Er griff in seine Hirtentasche, nahm einen Stein heraus, schleuderte ihn ab und traf den Philister an der Stirn. (…) 51 Dann lief David hin und trat neben den Philister. Er ergriff sein Schwert, zog es aus der Scheide, tötete ihn und schlug ihm den Kopf ab. Als die Philister sahen, dass ihr starker Mann tot war, flohen sie.“ (1. Samuel 17,49 und 51)
Eckzwickel mit der Darstellung von Holofernes und Judith. Letztere schaut auf den vielleicht noch zuckenden, enthaupteten Holofernes, einem assyrischen Krieger, dem sie Hoffnungen auf eine gemeinsame Nacht gemacht hatte, der dann aber so viel Wein trank, „wie er noch nie zuvor in seinem Leben an einem einzigen Tag getrunken hatte“ (Judit 12,20) und einschlief. Anschließend enthauptete sie den Krieger und nahm gemeinsam mit ihrer Dienerin den Kopf mit. (Jdt 13,6-10).
Eckzwickel mit der Darstellung der Hinrichtung Hamans. Haman war der erste Minister des Perserkönigs Ahasveros‘. Esther, eigentlich eine Gefangene des Königs, dann aber auserwählt, seine Gemahlin zu werden, setzt sich für die das Volk der Juden ein, Haman ist dagegen. Der Perserkönig ist erzürnt (auch weil Haman Esthers Vetter Mordokai ermorden lassen wollte) und lässt Haman hinrichten. Auf dem Bild rechts ist Ahasveros im Bett zu sehen, dem etwas vorgelesen wird. Im Bild links ist eine Szene zu sehen, in der Esther (im Bild ganz links) an einem Tisch den König (in Rot gekleidet) erzählt, was alles vorgefallen ist – und Haman (im gelben Gewand) hebt die Hände. In der Mitte hängt Letzterer hingerichtet am Kreuz. (Siehe Judith 12 und 13.) Am Kreuz? Im Text ist von einem Galgen die Rede, Michelangelo stilisiert Haman zu einem Gegenpol Jesu Christi.
Eckzwickel mit der Darstellung der Geschehnisse um Gottes Bestrafung des Volkes Israel wegen Lästereien. Gott schickte tödliche Schlangen, die einige Israeliten töteten (siehe im Bild die rechte Seite), woraufhin das Volk Moses bat, zu Gott zu beten. „8 Der HERR sprach zu Mose: Mach dir eine Feuerschlange und häng sie an einer Stange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht. 9 Mose machte also eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Stange auf. Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben.“ Links sind die Personen zu sehen, die die Schlange anschauten. Früheres und folgendes Geschehen sind auf einem Bild zu sehen, ein von Michelangelo mehrmals genutztes Stilmittel (Simultanbild).
Der Prophet Jona
Der Prophet Jeremia, der oft mit einer gewissen Schwermut in Verbindung gebracht wird, teilweise (in unseren Zeiten) auch mit Depressionen.
Libysche Sibylle – eine Sibylle „ist dem Mythos nach eine Prophetin, die im Gegensatz zu anderen göttlich inspirierten Sehern ursprünglich unaufgefordert die Zukunft weissagt.“ (Wikipedia, Stichwort „Sibylle (Prophetin)“). Die Libysche Sybille sitzt gegenüber dem Propheten Jeremia (Nr. 15). Dieser ist eher dunkel und melancholisch, die Sybille eher hell und tätig.
Persische Sibylle – sie sitzt dem Propheten Daniel gegenüber.
Der Prophet Daniel, wie alle anderen Propheten und (prophetischen) Sibyllen sitzend – viele andere Maler wählten einen dramatischeren Motiv aus seinem Leben, v.a. seinen Aufenthalt in der Löwengrube, mit dem ihn der Mederkönig Darius töten wollte. Doch die Löwen blieben friedlich.
Der Prophet Ezechiel oder Hesekiel – es scheint so, als würde er gerade aufspringen wollen um jemandem etwas eindrücklicher kundzutun. Die kleinen Figuren im Hintergrund vieler Bilder Michelangelos werden übrigens „Spritelli“, heute auch Putten genannt. Der rechte Spiritello schaut sorgenvoll in die andere Richtung, als lauere von dort eine Gefahr.
Cumäische Sibylle
Erythräische Sibylle. Ein Spiritello zündet eine Öllampe an, nach Bredekamp (Michelangelo, 2021, S. 244) vielleicht auch, um die Sibylle zu erleuchten. Diese schlägt eine Seite in einem großen Buch um und vielleicht liest sie schon lange, die Lampe ist ausgegangen und ein weiterer kleiner Spiritello reibt sich müde die Augen.
Der Erythräischen Sibylle sitzt der Prophet Jesaja gegenüber. Er ist chronologisch der erste von sieben Propheten des Alten Testaments. Während sie noch liest, legt Jesaja das Buch gerade zur Seite, einen Finger noch zwischen den Buchseiten.
Der Prophet Joel
Delphische Sibylle – sie sitzt dem Propheten Joel gegenüber. Wie bei der Erythräischen Sibylle und dem Propheten Jesaja hat hier eine Figur (die Delphische Sibylle) aufgehört zu lesen, die andere (der Prophet Joel) liest gerade.
Der Prophet Sacharja (auch Zacharia)
Lünette mit Achim und Eliud, nach Matthäus 1,14-15: „14 Azor zeugte den Zadok, / Zadok zeugte den Achim, / Achim zeugte den Eliud, 15 Eliud zeugte den Eleasar, / Eleasar zeugte den Mattan, / Mattan zeugte den Jakob.“
Lünette mit Azor und Zadok, nach Matthäus 1,14-15: „14 Azor zeugte den Zadok, / Zadok zeugte den Achim, / Achim zeugte den Eliud, 15 Eliud zeugte den Eleasar, / Eleasar zeugte den Mattan, / Mattan zeugte den Jakob.“
Lünette mit Serubbabel, Abihud und Eljakim, nach: Matthäus 1,14-15: „12 Nach der Babylonischen Gefangenschaft zeugte Jojachin den Schealtiël, / Schealtiël zeugte den Serubbabel, 13 Serubbabel zeugte den Abihud, / Abihud zeugte den Eljakim, / Eljakim zeugte den Azor.“
Lünette mit Joschija, Jojachin und Schealtiël, nach Matthäus 1,10-11: „10 Hiskija zeugte den Manasse, / Manasse zeugte den Amos, / Amos zeugte den Joschija. 11 Joschija zeugte den Jojachin und seine Brüder; das war zur Zeit der Babylonischen Gefangenschaft. 12 Nach der Babylonischen Gefangenschaft zeugte Jojachin den Schealtiël, / Schealtiël zeugte den Serubbabel,“
Lünette mit Usija, Jotam und Ahas, nach Matthäus 1,8-9: „ 8 Asa zeugte den Joschafat, / Joschafat zeugte den Joram, / Joram zeugte den Usija. 9 Usija zeugte den Jotam, / Jotam zeugte den Ahas, / Ahas zeugte den Hiskija“
Lünette mit Hiskija, Manasse und Amon, nach Matthäus 1,10: „10 Hiskija zeugte den Manasse, / Manasse zeugte den Amos, / Amos zeugte den Joschija.“
Lünette mit Rehabeam und Abija, nach Matthäus 1,7: „7 Salomo zeugte den Rehabeam, / Rehabeam zeugte den Abija, / Abija zeugte den Asa“.
Lünette mit Asa, Joschafat und Joram, nach Matthäus 1,8: „8 Asa zeugte den Joschafat, / Joschafat zeugte den Joram, / Joram zeugte den Usija.“
Lünette mit Salmon, Boas und Obed, nach Matthäus 1,5: „5 Salmon zeugte den Boas mit der Rahab. / Boas zeugte den Obed mit der Rut. / Obed zeugte den Isai“.
Lünette mit Isai, David und Salomo, nach Matthäus 1,6: „6 Isai zeugte David, den König. / David zeugte den Salomo mit der Frau des Urija.“
Lünette mit Amminadab, nach Matthäus 1,4: „4 Aram zeugte den Amminadab, / Amminadab zeugte den Nachschon, / Nachschon zeugte den Salmon.“
Lünette mit Nachschon, nach Matthäus 1,4: „4 Aram zeugte den Amminadab, / Amminadab zeugte den Nachschon, / Nachschon zeugte den Salmon. “
Bildnachweise:
Gesamtbild: commons.wikimedia.org/wiki/File:Sistine_ceiling.jpg (Wikimedia Commons, public domain)
- Description: English: Sistine ceiling
- Date: 10 January 2008, 11:05:37
- Source: https://www.wga.hu
- Author: Michelangelo
Die Auschnitte (s. Zahlen-Hotspots) sind diesem Gesamtbild entnommen. Ausnahme: Die Bilder der Lünetten, die auf dem Gesamtbild kaum zu erkennen sind. Hierfür habe ich folgende Public-Domain-Bilder genutzt:
- alle Lunetten-Bilder: https://en.wikipedia.org/wiki/Gallery_of_the_Sistine_Chapel_ceiling
- Hotspot 26 „Achim und Eliud“: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Achim_ed_Eliud.jpg (Source: Web Gallery of Art, Permission: PDArt)
- Hotspot 27: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Asor_und_Zadoch_(Michelangelo).jpg (Source: self scanned / Immanuel Giel)
- Hotspot 28: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zorobabel_a.jpg (Source: Web Gallery of Art, Permission: PDArt)
- Hotspot 29: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Josiah-Jechoniah-Sheatiel.jpg (Source: http://gallery.euroweb.hu/html/m/michelan/3sistina/6lunette/06/lu06jos.html)
- Hotspot 30: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Uzziah_-_Jotham_-_Ahaz.jpg (Source: http://gallery.euroweb.hu/html/m/michelan/3sistina/6lunette/08/lu08ozi.html)
- Hotspot 31: https://en.wikipedia.org/wiki/Gallery_of_the_Sistine_Chapel_ceiling#/media/File:Michelangelo_-_Sistine_Chapel_ceiling_-_Lunette_%22Asa_-_Jehoshaphat_-_Joram%22.jpg (Source: http://www.wga.hu/cgi-bin/highlight.cgi?file=html/m/michelan/3sistina/6lunette/09/lu09asa.html&find=Cappella+Sistina)
- Hotspot 32: https://en.wikipedia.org/wiki/Gallery_of_the_Sistine_Chapel_ceiling#/media/File:Rehoboam_-_Abijah.jpg (Source: http://gallery.euroweb.hu/html/m/michelan/3sistina/6lunette/10/lu10rob.html)
- Hotspot 33: https://en.wikipedia.org/wiki/Gallery_of_the_Sistine_Chapel_ceiling#/media/File:Michelangelo_-_Sistine_Chapel_ceiling_-_Lunette_%22Asa_-_Jehoshaphat_-_Joram%22.jpg (Source: Web Gallery of Art: https://www.wga.hu/html/m/michelan/3sistina/6lunette/09/lu09asa.html)
- Hotspot 35: https://en.wikipedia.org/wiki/Gallery_of_the_Sistine_Chapel_ceiling#/media/File:Jesse_-_David_-_Solomon.jpg (Source: http://gallery.euroweb.hu/html/m/michelan/3sistina/6lunette/11/lu11ies.html)
- Hotspot 37: https://en.wikipedia.org/wiki/Gallery_of_the_Sistine_Chapel_ceiling#/media/File:Michelangelo_Sistine_Chapel_ceiling_-_Naason_restored.jpg (Source: Web Gallery of Art: https://www.wga.hu/html/m/michelan/3sistina/6lunette/13/lu13naa.html)