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Kurt Flasch: Der Teufel und seine Engel. Die neue Biographie. München 2015

„Wer Europa kennen will, muss Gott und den Teufel erkunden. Beide haben dort lange geherrscht.“ Mit diesen Worten beginnt ein Buch, dass ich mit großem Vergnügen gelesen habe.

Kurt Flasch hat es geschrieben. Der große Historiker, der überzeugt ist, dass es den Teufel nicht gibt, schreibt mit großer Leidenschaft über diese Gestalt, die im Laufe der Jahrhunderte vielfältige Deutungen erfahren hat: Das Teufelsbild des Alten und Neuen Testaments wird ebenso beschrieben wie das der ersten christlichen Jahrhunderte. Bis, ja bis ein folgenreicher Wandel oder Umbruch des Teufelsbildes geschah: „Im 13. Jahrhundert verlor der Teufel endgültig seinen Luftkörper.“ (S. 104) Fortan war er in den Augen der Gelehrten ein reiner Geist, also nicht mehr, wie Origenes, Ambrosius und Augustinus lehrten und das Denken über die Jahrhunderte beeinflussten, ein aus Luft bestehender Körper, ein stoffliches Wesen.

Dieses Denken hatte Folgen: Wie konnte ein reiner Geist böse sein? Wie war es möglich, dass (nach dem ersten Buch der Bibel, der Genesis) Geister wolllüstig Geschlechtsverkehr mit Menschenfrauen hatten? Und was ist mit der ewigen Strafe? Können der Teufel, die Dämonen und die Seelen der verdammten Menschen, die nicht stofflich sind, überhaupt körperliche Qualen erleiden? Ist das Höllenfeuer vielleicht gar nicht buchstäblich gemeint?

Die Stärke des Buches liegt klar auf dieser Zeit des Wandels, die Zeit des Mittelalters. Doch auch die Frühe Neuzeit wird mit interessanten Gedanken einzelner Gelehrter bedacht: Balthasar Bekker, der bekannte protestantische Theologe und Philosoph des 17. Jahrhunderts sowie Leibniz und Herder. Zwischen 1650 und 1750 wurde die Ablehnung des Teufels mit der Ablehnung Gottes, dem Atheismus, in Verbindung gebracht. Rousseaus Vorstellungen einer „natürlichen Religion“ wird schließlich noch dargelegt, ebenso wie Goethes Faust. Den anschließenden Blick Kurt Flaschs in die Neuzeit empfand ich beim Lesen als wenig spannend. Die Leidenschaft des Schreibens und des Schreibers nimmt zum Ende des Buches hin deutlich ab.

Kurt Flasch hat eine Biografie des Teufels und seiner Engel geschrieben anhand der Ausführungen einzelner Gelehrte. Das ist für sich spannend – der Alltagsglaube über den Teufel, das, was wir heute umgangssprachlich unter Aberglauben verstehen, findet kaum Erwähnung.

Es ist nicht immer leichte Kost, die Flasch in seinem Buch darlegt, aber er vermag es, den Leser durch Rückblicke auf die entscheidenden Wendepunkte des Teufelsglaubens an die Hand zu nehmen – wenngleich nicht alles leicht zu verstehen ist. Aber das liegt vornehmlich an dem Inhalt: Die Gedanken eines Augustin, eines Thomas von Aquin, der Reformatoren sind heutigem Denken sehr fremd. Und wer sich noch nicht mit der Philosophie- und Theologiegeschichte des frühen Christentums und des Mittelalters auseinandergesetzt hat, muss schon einige Mühe aufbringen, die unterschiedlichen Theorien zu verstehen.