Von der „Peuplierung“ zur Abschottung: Deutsche Bevölkerungspolitik im Wandel
Zu viele, zu wenige – Deutschlands Verhältnis zur eigenen Bevölkerung schwankt seit Jahrhunderten zwischen Mangelangst und Überdruss. Wie Steffen Greiner auf Deutschlandfunk Kultur zeigt, begann diese Obsession schon in der Frühen Neuzeit: Nach dem Dreißigjährigen Krieg lag das Land entvölkert darnieder, die Fürsten suchten verzweifelt nach Menschen, um Äcker zu bestellen und Städte zu beleben. Ganze Regionen warben Fremde mit großzügigen Privilegien an – von Steuerfreiheit bis Religionsfreiheit. Besonders die Hugenotten galten als willkommene Neubürger, die wirtschaftlichen Aufschwung versprachen.
Fürsten wie Friedrich II. von Preußen sahen in der „Peuplierung“, der systematischen Mehrung der Bevölkerung, eine Staatsaufgabe. Wer das bevölkertes Land hatte, galt als mächtig. Der Mensch wurde zur Ressource, der Untertan zum Wirtschaftsfaktor. Doch mit der Aufklärung und der Französischen Revolution endete die Vorstellung, Menschen wie Spielsteine über Landkarten zu schieben.
Greiner zieht eine Verbindung in die Gegenwart: Was einst der Drang nach „mehr Volk“ war, erschien später in umgekehrter Form – der Wunsch nach Abgrenzung und Kontrolle. In beiden Fällen blieb der Mensch Mittel zum Zweck staatlicher Ordnungspolitik. Vielleicht, so Greiners ironische Pointe, wirkten manche Fürsten mit Puderperücke heute fast menschlicher als die modernen „Bevölkerungsfanatiker“.
