Symphonische Frühzeit in London – Wiederentdeckung mit Charme und Verstand
Mit „William Smethergell: Ouvertüren Vol. 2“ widmet sich das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim unter Douglas Bostock einem nahezu vergessenen Kapitel der Londoner Musikgeschichte. Dr. Hartmut Hein beleuchtet in seiner Kritik „Symphonische Frühzeit in London“ jene Übergangszeit um 1775, in der sich die Gattung der Symphonie aus der Opernouvertüre zu emanzipieren begann. Smethergell, Zeitgenosse von Abel und J. C. Bach, schrieb Werke, die im lebendigen Konzertbetrieb der Londoner „Pleasure Gardens“ ihren Platz fanden – zwischen Unterhaltung, gesellschaftlichem Ereignis und künstlerischem Experiment.
Bostock hat die nur selten gespielten „Six Overtures Op. 2“ neu ediert und mit seinem exzellent disponierten Ensemble stilbewusst eingespielt. Historisch informiert, ohne akademischen Trockenklang, entfaltet das Pforzheimer Orchester rhythmische Frische, klangliche Klarheit und charmante Balance zwischen Eleganz und Energie. Einzelne Sätze überraschen durch Haydn‑nahe Wendungen, originelle Themenarbeit und apart gesetzte Bläserfarben – musikalische „Konfektionsware“ mit Witz und Raffinesse zugleich.
Auch wenn Smethergell dem Konzertrepertoire wohl kaum dauerhaft Einlass findet, zeigt diese Einspielung, wie lohnend der Blick auf vergessene Komponisten sein kann. Sie macht hörbar, dass zwischen Kreide, Cembalo und beginnender Klassik ein lebendiger, neugieriger Kosmos lag – voller Esprit, Charme und handwerklicher Präzision.