Ulm im Dreißijährigen Krieg
Über die Ursachen der Pest nach Ansicht der Gelehrten
Nach Meinung berühmter Gelehrter hat die Pest vornehmlich drei Ursachen: Gott, eine verdorbene Luft und die Disposition des Menschen.
„So plaget Gott der HErr mit allerley Schwach- und Kranckheiten / und also auch mit der Pest / die Narren / wie David sagt / umb ihrer Sünden willen“, predigte unser Münsterprediger Konrad Dieterich in der Neujahrsansprache. Niemand zweifelt an der Wahrheit seiner Worte. So sprach Gott bereits durch seinen Propheten Jeremias: „Ich will die Burger dieser Statt schlagen / daß sie sterben sollen durch eine große Pestilentz.“ Reue über begangene Sünden und gute Werke können, so Dieterich weiter, auch den Zorn Gottes besänftigen: „Er machet sie aber auch wieder gesund / unnd errettet sie daß sie nicht sterben.“
Manchmal bedient sich der Schöpfer auch natürlicher Ursachen oder lässt sie einfach geschehen: Hier ist v. a. die verdorbene Luft zu nennen, worauf bereits der große Arzt Hippokrates vor über 1500 Jahren hinwies. Was also könnte unsere Ulmer Luft verdorben haben? Die Mediziner verweisen immer wieder auf Schmutz, den Unrat in den Städten: Mist, Asche, Kot, Urin, geronnenes Blut vom Aderlassen und Schröpfen, Abfälle der Kürschner und Schuster. Hinzu kommt alles, was faulen kann: Aas, Leichen, altes Obst.
Zu hüten hat sich jeder auch vor dem Kontakt zu einem Erkrankten wie auch vor der Kleidung und dem Hausrat eines Verstorbenen. Viele Einwohner Ulms haben die Habseligkeiten der Toten verbrannt, andere, gegen die Anweisung des Rats, den Nachlass unter den Verwandten aufgeteilt. Manche bezahlten dies in den letzten Monaten mit ihrem Leben.
Zu diesen allgemeinen, also alle Menschen betreffenden Ursachen kommen noch die individuellen Ursachen hinzu. Hier ist v. a. die Krankheitsbereitschaft des Einzelnen zu nennen.
Angeboren ist, darauf hat bereits Hippokrates hingewiesen, bei jedem Menschen das Vorherrschen eines der vier Kardinalsäfte des Körpers (Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle). So gibt es Phlegmatiker, bei denen der Schleim, Sanguiniker, bei denen das Blut, Choleriker, bei denen die gelbe Galle, Melancholiker, bei denen die schwarze Galle dominiert. Befindet sich ein Körper nun in einer „guten Mischung“, so ist er weitgehend gefeit gegen die schädlichen, von außen kommenden Einflüsse.
Unordnung kann im Körper hervorgerufen werden durch eine schädliche Luft, durch schlechte Ernährung, durch Gemütsbewegungen. Für den des Schreibens mächtigen Schuhmacher und Bauern Hans Heberle ist es nur natürlich, dass gerade die Armen eher angesteckt werden, weil sie sich nur unzureichend und ungesund ernähren (siehe die Auszüge seines Zeytregisters). Der Architekt und Bauherr Joseph Furttenbach hingegen sieht in dem Verhalten der Bauern und Bettler, die in unsere Stadt sich flüchteten, eine große Gefahr. Mit ihrem Jammern und Betteln betrübten sie die ehrwürdigen Bürger und machten diese für die Pest empfänglich (siehe die Auszüge seiner Chronik).
Ein gottgefälliges Leben, die Reinhaltung der Luft und die Mäßigung jedes Einzelnen in allen Lebenslagen gehören daher zu den probatesten Mitteln, die Pest in Zukunft von unserer Stadt fernzuhalten.