Martin Luther: Disputationen und Gespräche in Heidelberg, Augsburg und Leipzig
(Martin Luther nach der Veröffentlichung seiner Thesen, Teil 1; zur Übersicht)
Heidelberg: Disputation Luthers bei den Augustiner-Eremiten

Martin Luther als Augustinermönch im Ordenshabit, Brustbild nach links, mit Inschrift; Stich von Lucas Cranach dem Älteren; Wikimedia commons – Collection
British Museum (public domain)
Den Beginn machte im April 1518 die Disputation Luthers bei den Augustiner-Eremiten in Heidelberg. Natürlich wurde auch in diesem, sprich: seinem Orden viel über seine Gedanken und Schriften gesprochen und diskutiert. Hier stellte Luther seinen Mitbrüdern Thesen vor, die in einigen Bereichen über seine 95 Wittenberger Thesen hinausgingen. Luther betonte, dass der Mensch nicht durch Werke, sondern nur durch den Glauben Erlösung finden könne. (Leppin: Martin Luther, 3. Aufl., 2017, S. 133)
Zudem ging es um den nach Luther nicht vorhandenen freien Willen und damit in Zusammenhang um die „Abhängigkeit der Theologie von der Philosophie des Aristoteles“: Der Mensch sei „Gott gegenüber ganz und gar passiv (…) und (habe) ihm gegenüber keinen freien Willen“ (Jung: Reformation und Konfessionelles Zeitalter, 2012, S. 33).
Interessanterweise führten die Gespräche darüber nicht dazu, dass Luther seine Ansichten änderte, oder dass ihm Vorhaltungen gemacht wurden, ihm vielleicht sogar der Ausschluss aus dem Orden angedroht wurde. Im Gegenteil: Etliche Augustiner solidarisierten sich mit ihm, einige gehörten später sogar zu den bekannten Reformatoren, namentlich Martin Bucer (1491-1551) und Johannes Brenz (1499-1570). (Schilling: Martin Luther, 2012, S. 182) Über die Wichtigkeit dieses Zusammenkommens schreibt Thomas Kaufmann in seinem Buch „Erlöste und Verdammte“ (2016, S. 119): „Neben der Verbreitung Luther’scher Schriften durch den Druck bildete diese Veranstaltung das wichtigste Initial für die Entstehung einer reformatorischen Bewegung im Südwesten des Reiches.“
Luther auf dem Reichstag in Augsburg

Kupferstich mit Portrait von Thomas Cajetan; Wikimedia Commons (public domain)
Im Oktober 1518 kam es am Rande des Reichstags in Augsburg zu Gesprächen zwischen Luther und dem päpstlichen Sondergesandten Kardinal Thomas Cajetan (1469-1534). Cajetan galt damals als „einer der führenden theologischen Köpfe“. Es ging ihm, laut Schilling (Martin Luther, 2012, S. 184), nicht darum, Luther „um jeden Preis“ einer Verurteilung zuzuführen. Vielmehr bemühte er sich redlich, „dem Augustiner einen Ausweg aus der sich öffnenden Prozessfalle zu weisen.“ Laut Helga Schnabel-Schüle hätten sie sich beide sogar „erstaunlich gut“ verstanden.
Letztendlich spitzte sich die Diskussion oder besser: das Verhör, das über mehrere Tage dauerte, dann aber doch noch zu; es wurde aggressiver: Luther stellte das Primat des Papstes infrage (Schnabel-Schüle: Die Reformation, 2006, S. 77) – und vielleicht ihm die Tragweite seiner Thesen gar nicht so recht bewusst. Cajetan hingegen erkannte, dass Luthers Beharren „auf der persönlichen Heilsgewissheit das heilanstaltliche Gefüge der Papstkirche im Kern erschüttern musste“ (Kaufmann: Erlöste und Verdammte, 2016, S. 120). Es sei ein „Angriff auf die Autorität“ des Papstes gewesen (ebd.). Eine Verhaftung Luthers drohte – und so verließ er heimlich die Stadt.
Leipziger Disputation

Johannes Eck, katholischer Theologe Gegner Martin Luthers Kupferstich von Peter Weinher d. Ä. (1572); Wikimedia commons: portraitindex.de (public domain)
Einen weiteren Schritt weg von den Lehren der alten Kirche, weg von der Anerkennung des Papstes als Haupt der Kirche unternahm Luther bei der Leipziger Disputation von Ende Juni bis Mitte Juli 1519. Sein Gegenüber war nun der hoch anerkannte, humanistisch gebildete Theologe Johannes Eck (1486-1543), der sich mit Martin Luther und dem Priester und Hochschullehrer Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt (1486-1541), zuvor schriftlich auseinandergesetzt hatte. In Leipzig standen sie sich nun gegenüber: Drei Wochen dauerte die von dem sächsischen Herzog Georg von Sachsen (dem Bärtigen, 1471-1539) mitangeregte Disputation. Er war „persönlich an einer Klärung der theologischen Streitpunkte interessiert“ (Schilling: Martin Luther, 2012, S. 187) war.
Der Streit um das Primat des Papstes hatte einen brisanten Hintergrund: Im 15. Jahrhundert wurde scharf diskutiert, ob die Entscheidungen der Konzile unter bestimmten Voraussetzungen sogar über der Autorität des Papstes stehen sollten. Letztendlich setzte sich der Papst in diesem Streit durch, unterstützt von Theologen, die die Notwendigkeit einer starken Leitung der Kirche durch den Papst darlegten. Und nun stand Martin Luther dort und behauptete, er könne mit historischen Hinweisen belegen, dass die einzelnen Päpste nie Oberhaupt der gesamten Kirche gewesen seien (vgl. Schilling: Martin Luther, 2012, S. 188, und Leppin: Martin Luther, 3. Aufl., 2017, S. 135 f.)
Im Verlauf der Disputation trieb Johannes Eck den Wittenberger immer weiter zu gewagten Thesen – „bis hin zur Solidarisierung mit einzelnen Lehrsätzen des 1415 als Ketzer verbrannten tschechischen Theologen Jan Hus, ja bis zur expliziten Aussage, dass auch Konzilien irren können und geirrt hätten“ (Schilling: Martin Luther, 2012, S. 189). Laut Helga Schnabel-Schüle (Die Reformation, 2006, S. 85) war dies seitens Ecks genau so gewollt: Es ging ihm darum, „Luther als Ketzer zu enttarnen“.
Vor der Disputation war vereinbart worden, dass Theologen der Universitäten Erfurt und Paris auf Grundlage der protokollierten Streitgespräche entscheiden sollten, wer glaubhafter und klarer seine Thesen belegen könne. Erfurt weigerte sich und auch Paris urteilte nicht, wenngleich Letztere die Schriften Luthers verurteilten. Wichtiger war jedoch die weitere Polarisierung durch die Leipziger Disputation.
Verwendete Literatur
Martin H. Jung: Reformation und Konfessionelles Zeitalter (1517–1648). (Basiswissen Theologie
und Religionswissenschaft Herausgegeben von Lukas Bormann) Göttingen 2021.
Thomas Kaufmann: Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation. München 2016.
Harm Klueting: Das Konfessionelle Zeitalter. Europa zwischen Mittelalter und Moderne. 480 S. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2015.
Leppin, Volker: Martin Luther. 3., durchgesehene und aktualisierte Auflage. Darmstadt 2017.
Heinz Schilling: Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs. 728 S. C.H. Beck 2012.
Helga Schnabel-Schüle: Die Reformation 1495-1555. Politik mit Theologie und Religion. Stuttgart 2006.
