Bauernhaufen ziehen durch das Land
Weiterer Verlauf des Bauernkrieges und Niederschlagung der Aufständischen
(Teil 4 des Artikels „Geschichte des Bauernkriegs 1525“; zur Einleitung)
Die Unruhen breiteten sich im weiteren Verlauf des Jahres 1524 auf die genannten Gebiete Südwestdeutschlands aus: von Stühlingen aus Richtung Norden bis über Villingen, im Hegau und im Klettgau. Bis zum Ende des Winters im März 1525 gab es Aufstände im Gebiet Richtung Norden und deutlich Richtung Osten bis zum Lech. Von der Trennung von Donau und Lech aus ging es Richtung Süden bis ins Allgäu. Ab April 2025 ging es Richtung Norden und Nordosten rasant weiter: über das Elsass und die Kurpfalz, über Franken (Weinsberg und Würzburg) bis Goslar in Hessen und Allstedt in Thüringen sowie nordöstlich bis nach Marienberg, Annaberg und Joachimsthal in Sachsen.
Es gab 1524/25 etliche solcher Haufen, die meist klein angefangen hatten. Durch das Durchs-Land-Ziehen und Anwerben oder die Vereinigung mit anderen kleinen Haufen rekrutierten sie weitere Mitglieder. Das Ganze war recht schwierig zu organisieren, denn viele Bauern mussten immer wieder zu ihren Feldern, zu ihrem Vieh und zu ihrem Hof zurückkehren, da die zurückgebliebene Familie die Arbeit oft nicht allein bewältigen konnte – vor allem in den arbeitsreichen Zeiten des Frühlings und des beginnenden Sommers 1525. Ein „Rotationssystem” sollte dabei helfen, Arbeit und Protest miteinander vereinbar zu machen, ein System, „bei dem jeweils ein Dorf eine bestimmte Anzahl von Männern zu stellen hatte, die mit den Bauern bis zum nächsten Dorf marschieren sollten, wo sie ersetzt wurden.“ (Roper: Für die Freiheit, 2024, S. 282) So waren viele Bauern nur einige Stunden Fußmarsch von ihrem Zuhause entfernt.
Das Umher- und Weiterziehen größerer Haufen war notwendig, da ein Dorf oder eine kleine Gruppe von Dörfern kaum für die notwendige Verpflegung mehrerer Tausend Menschen sorgen konnte/n. Klöster und Burgen wurden angegriffen und geplündert, der Wein und die Essensvorräte genutzt, Relikte der alten Kirche zerstört.
Nachfolgend werden einige Bauernhaufen beispielhaft vorgestellt. Weitere sind mir beim Lesen der Bauernkriegsliteratur untergekommen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit habe ich sie in einer Karte vermerkt:

Deutschland in heutigen Grenzen, auch der Bundesländer, und mit den Bauernhaufen. Karte: Michael Schnell
Der Schwarzwälder Haufen
Hans Müller aus Bulgenbach (siehe das Kapitel über den Beginn des Bauernkrieges) war im Dezember 2024 zunächst mit zehn Männern unterwegs. Sie zogen von einem Dorf zum nächsten und „verkündeten“ die Freiheit von den Herrschenden. Und sie trafen im Schwarzwald auf offene Ohren, sodass bald einige tausend Personen zu seinem Haufen gehörten (Roper: Für die Freiheit, 2024, S. 273).
Nicht alle Anführer, nicht alle Haufen agierten gleich: Da gab es die eher Gemäßigten, die Gewalt möglichst ablehnten. Die anderen traten aggressiver auf, traten den Feinden gegenüber kämpferisch auf und drohten auch Personen des eigenen Berufsstands Gewalt an, wenn sie sich dem Haufen nicht anschließen wollten. Zu Letztgenannten gehörte Hans Müller, der als „Scharfmacher“ galt (Schwerhoff: Der Bauernkrieg, 2024, S. 78) und den Schwarzwälder Haufen anführte. Sehr erfolgreich agierte er im April 1525 im Schwarzwald und zog dann mit seinen Mannen Richtung Freiburg. Während die Bauern in anderen Regionen Deutschlands bereits schmerzhafte Niederlagen hinnehmen mussten, schafften es die Schwarzwälder gemeinsam mit vier weiteren Haufen Freiburg einzunehmen. Doch nun wurde es auch für den Schwarzwälder Haufen bedrohlicher. Die nächste Stadt, die die Bauern um Hans Müller einnehmen wollten, Villingen, konnte sich jedoch wehren. Die Hilfe für den Hegauer Bauernhaufen in Radolfzell wollte geleistet werden – doch Müller sah: „(…) die Städte am Bodensee stärkten sich «heftig» und der Bund ziehe mit Macht herauf“. Gemeint war der Schwäbische Bund, einem Zusammenschluss von Herrschern, der den Landfrieden sichern sollte (Schwerhoff: Der Bauernkrieg, 2024, S. 491).
Im Juli 1525 kapitulierte der Schwarzwälder Haufen.
Doch was geschah mit Hans Müller, dem Mann der ersten Stunde, dem Anführer des Schwarzwaldhaufens?
Nach der Kapitulation des Haufens versuchte Hans Müller, in das Klettgau oder in die Schweiz zu flüchten, wurde jedoch gefangengenommen und nach 40 Tagen in Haft von einem Scharfrichter enthauptet – angeblich im Stehen. „Man sagt sich, Müller habe sich bis zuletzt geweigert, vor der Obrigkeit auf die Knie zu gehen.“ (Artikel „Hans Müller von Bulgenbach“ auf der Website des Vereins Historische Hans Müller Gruppe Bulgenbach)
Der Baltringer Haufen
Baltringen ist ein Ort ca. 30 Kilometer südlich von Ulm. Der nach ihm benannte Haufen gehörte, wie der Schwarzwälder, zu den ersten Bauernhaufen. Seinen Anfang hatte er zu Weihnachten 1524 in einem Wirtshaus von Baltringen. Angeführt wurde der Haufen, vielleicht von Beginn an, spätestens aber ab dem Februar 1525, von Huldrich (=Ulrich) Schmid. Als Schreiber des Haufens fungierte der bereits mehrfach erwähnte Sebastian Lotzer.
In der Anfangszeit sind die Baltringer Bauern wohl auch, wie andere Haufen, durch die Umgebung marschiert und forderten andere Bauern auf, sich ihnen anzuschließen. (Siehe einen Bericht des St. Gallener Predigers Johannes Kessler im Unterrichtsmaterial des Arbeitskreises für Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe, online auf den Seiten des Landesbildungsservers Baden-Württemberg). Anschließend hat sich Baltringen wohl zu einem Treffpunkt entwickelt, an dem sich große Massen Unzufriedener zusammengefunden haben.
Es folgten Verhandlungen der Bauern mit dem Schwäbischen Bund. Es gab unterschiedliche Meinungen der Bauern über den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Forderungen. Und auch innerhalb des Schwäbischen Bundes wurde diskutiert, ob den Aufständischen mit Gewalt begegnet werden solle.
Im März nahmen Vertreter des Baltringer Haufens an den Sitzungen in Memmingen teil. Dort trat der Leipheimer Haufen dem Baltringer bei, die Christliche Vereinigung wurde gegründet. Die Bundesordnung und 12 Artikel wurden den Vertretern des Schwäbischen Bundes übergeben.
In der Folgezeit beriet sich der Bund über die Forderungen der Bauern und die Bauern über die Gegenvorschläge des Bundes. Doch schnell wurde klar: Der Schwäbische Bund wollte Krieg. Während der Beratungen wurden im Hintergrund bereits Vorkehrungen dafür getroffen. Aber auch die Bauernhaufen verhielten sich nicht friedlich, sondern stürmten weiterhin Klöster und Burgen.
„Welche Seite konkret die ersten gravierenden Gewalttaten zu verantworten hatte, lässt sich rückblickend kaum wirklich entscheiden. Politisch lag die Verantwortung für die Eskalation des Konflikts ziemlich eindeutig auf Seiten der Bundesstände, die kein verhandelbares Angebot vorgelegt hatten.“ (Schwerhoff: Der Bauernkrieg, 2024, S. 171)
Ende März 1525 formierten sich die Truppen des Bundes gegen den Baltringer Haufen. Zu einer ersten Schlacht kam es allerdings erst bei Leipheim, das ca. 18 Kilometer östlich von Ulm liegt. Der Baltringer Haufen wurde geradezu niedergemetzelt, die zwei weiteren Haufen der Christlichen Vereinigung, der Allgäuer und der Bodensee-Haufen kamen ihm nicht zu Hilfe.
Mitte 1525 nahm der Schwäbische Bund die Kapitulation des Baltringer Haufens an.
Der Werrahaufen
Am 20. April 1525 drangen mehrere Hundert Bauern in die Stadt Vacha ein. Sie lag im Südwesten Thüringens und hatte ca. 1.000 Einwohner. Die Bürger und der Rat stimmten den 12 Artikeln zu und die Bauern wählten den Tuchmacher Hans Sippel zu ihrem Anführer. Drei Tage später zog der Haufen, der wegen des nahe gelegenen Flusses Werra auch Werrahaufen genannt wurde, Richtung Salzungen weiter. Wie schon vor der Ankunft in Vacha plünderten sie, mittlerweile zwischen 1.000 und 2.000 Mann stark, auf dem weiteren Weg einzelne Klöster und auch die Krayenburg. Salzungen schloss sich den Bauern an; Breitungen war bereits zuvor von seinen Bauern dazu gebracht worden. Am 24. April umfasste der Haufen über 3.000 Personen. Kein Wunder, dass die nahegelegene Stadt Schmalkalden, in der die Landgrafschaften Henneberg-Schleusingen und Hessen das Sagen hatten, Schlimmes befürchtete. Zudem gab es hier „bereits vor dem Bauernkrieg religiöse Auseinandersetzungen“ (Schwerhoff: Der Bauernkrieg, 2024, S. 323).
Graf Wilhelm IV. von Henneberg (1478-1559) war nahezu machtlos. Über 8.000 Bauern zählte der Werrahaufen vor Schmalkalden am 27. April 1525, die Bürgerschaft hatte sich zumindest zu großen Teilen bereits mit den Bauern solidarisiert und nun wurde der Graf auch noch von einem früheren Söldner und jetzigen Plattner (Schmied für Rüstungen) verraten. Er hatte ihm Geld für die Abwehr der Bauern gegeben, doch dieser gab es den Aufständischen. Die Situation war „trostlos, jedenfalls berichtete dies Amtmann Tham von Herda in Kaltennordheim: Er würde ja über einen Mangel an Geschützen klagen, so schrieb er, wenn ihm nicht ohnehin die Männer fehlten, um diese zu bedienen. Er könne sich im Schloss lediglich auf sieben Leute verlassen, die übrigen seien weich und wankelmütig.“ (Schwerhoff: Der Bauernkrieg, 2024, S. 324)
Als der Werrahaufen weiterzog, zurück zur Werra und dann Richtung Süden (Wasungen und Meiningen), suchte der Graf von Henneberg die Bauern auf und nahm die 12 Artikel an.
Nun formierte der zweite Stadtherr, Landgraf Philipp von Hessen, ein schlagkräftiges Heer, um gegen die Bauern vorzugehen. Die Städte Hersfeld und Fulda wurden recht schnell eingenommen, viele Aufständische grausam und ohne Erbarmen getötet. Die Kunde davon sprach sich schnell herum und die Bauern des Werrahaufens zerstreuten sich. Der hessische Landgraf allerdings konnte Hans Sippel und weitere Anführer festnehmen – sie wurden in Eisenach vor den Augen des Grafen hingerichtet. Der Werrahaufen hatte sein Ende gefunden.
Hinweis: Einige grundlegende Informationen habe ich den schönen Informationskarten zu einzelnen Städten (Vacha, Salzungen, Breitungen) sowie den Texttafeln zur Stadt Schmalkalden entnommen, die in der Sonderausstellung „Bauernkrieg und Stadt“ in Schmalkalden zu sehen und lesen waren.
Martin Luther, Thomas Müntzer und die Geschehnisse in Frankenhausen und Mühlhausen
Mitte April 1525 legten die aufständischen Bauern in Weimar dem Reformator Martin Luther die 12 Artikel und die Bundesordnung zur Beurteilung vor. Luther antwortete mit seiner Schrift „Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben“, in der er beide Seiten zum Frieden mahnt. Doch das Blutvergießen hatte schon längst begonnen, als sein Flugblatt in verschiedenen Teilen Deutschlands verteilt wurde. (Schilling: Martin Luther, 2012, S.300 f.)
Als Luther merkte, dass die Gewalt auch nach Thüringen übergreifen würde, positionierte er sich auf die Seite der Obrigkeit und gegen Thomas Müntzer. Dieser war ein weiterer wichtiger Akteur der Reformation, hatte sich allerdings längst von Luther distanziert und eine radikalere, spiritualistisch-apokalyptische Theologie entwickelt, die auch sozialrevolutionäre Elemente enthielt. Er eckte an, galt als Unruhestifter: 1521 wurde er aus Zwickau vertrieben. Über Umwege – unter anderem wirkte er in Prag, wo er auch sein bekanntes „Prager Manifest“, sein theologisches Programm, verfasste – kam er im Frühjahr 1523 nach Allstedt in der Nähe der „Lutherstadt“ Eisleben. Ohne „richtige“ Berufung arbeitete er dort bis zum Sommer 1524 als Pfarrer. Auch Allstedt musste er wieder verlassen, nachdem er für ein Gottesreich auf Erden geworben hatte. Damit waren die Herrschenden nicht einverstanden. Allerdings wandten sie sich erst gegen Müntzer, nachdem Luther sie dazu aufgefordert hatte (vgl. Schnabel-Schüle, Die Reformation, 2006, S. 135).
Nächste Station: Mühlhausen. Hier stellte sich Müntzer schließlich gänzlich gegen Luther. Als sich zu Ostern 1525 auch in Thüringen die Bauern sich zu Protesten erhoben, „war Müntzer davon überzeugt, dass nun die Zeit gekommen sei, das endzeitliche Gericht an den Gottlosen zu vollstrecken und sein Programm einer spirituellen Kirche umzusetzen. Müntzer gab jede politische Rücksichtnahme auf.“ Ca. 6.000 bis 7.000 Bauern standen vor den Toren von Frankenhausen – und Müntzer sah den Endkampf vor sich. Währenddessen hatte sich Martin Luther mit seiner am 6. Mai 1525 geschriebenen Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“ längst gegen die Aufständischen und für die Obrigkeiten in Stellung gebracht.
Der gerade einmal 20 Jahre alte Landgraf Philipp von Hessen, der schon den Werrahaufen besiegt hatte, zog nun mit den Herzögen Georg von Sachsen und Heinrich von Braunschweig gegen Müntzer und seine Bauern. Letztere waren „hoffnungslos unterlegen“, es ging alles sehr schnell: Von 5.000 Toten ist die Rede. Es war, so Gert Schwerhoff (Der Bauernkrieg, S. 387) kein Kampf, keine Schlacht. Die Bauern sahen schnell, dass sie machtlos waren, flohen und wurden schlicht niedergemetzelt – es war ein Massaker an Wehrlosen. 600 Personen wurden gefangengenommen, darunter Thomas Müntzer. Zusammen mit weiteren 47 Personen wurde er hingerichtet.
Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass die Rolle Thomas Müntzers bezüglich des Bauernkriegs lange Zeit deutlich überbewertet wurde. Gerd Schwerhoff kommt in seinem Werk „Der Bauernkrieg” (2024) an mehreren Stellen zu dem Schluss, dass Müntzers Einfluss doch eher gering war: Er war kein „wesentlicher Rädelsführer des oberdeutschen Bauernaufstands” (S. 95) und sein Einfluss „auf die Entwicklung des Bauernkriegs in der weiteren Umgebung” (S. 338) sei ungeklärt. Luther und seine Anhänger hätten seine Rolle deutlich überhöht, meint auch Thomas Kaufmann (Der Bauernkrieg, 2024, S. 21 ff.).