Thesenanschlag, Reformation und Konfessionalisierung

Die Reformation kann als eine durch Martin Luther ausgelöste Bewegung innerhalb der christlich-abendländischen Welt angesehen werden, die zur Aufspaltung der (alten) Kirche führte. Fortan gab es eine katholische, eine lutherische und eine reformierte Kirche.

Luther-Denkmal in Erfurt; Bild: Find-das-Bild.de / Michael Schnell

Luther-Denkmal in Erfurt; Bild: Find-das-Bild.de / Michael Schnell

Der Thesenanschlag Luthers als Beginn der Reformation

1517 verfasste Martin Luther die “95 Thesen gegen den Ablass”, eine Schrift, die vielfach als Startpunkt der Reformation angesehen wird. Sie richtete sich gegen die Ablasspraxis des Dominikanermönchs Johannes Tetzel im Auftrag Albrechts von Brandenburg, des Erzbischofs von Mainz und Landesherrn des Erzstifts Mainz.

In der lateinischen Schrift wendet sich Luther gegen die Ansicht, dass durch einen Ablass Sünden vergeben werden. Wer seine Sünden ehrlich bereut, benötige keinen Ablass. Der Verkauf von Ablässen sei vielmehr lediglich ein Geschäft, das den Gläubigen eine falsche Sicherheit böte.

Obwohl sich Luther selbst nicht bewusst war, dass diese Thesen in der Folgezeit den Bruch mit der alten Kirche bedeuten könnten; obwohl seine Thesen selbst nichts Neues waren – der Ablass stand bei Gelehrten schon länger in der Kritik -; obwohl auch die Veröffentlichung selbst nichts Besonderes oder Außergewöhnliches war – ob sie nun an die Tür der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen (wofür neuere Forschungen wieder sprechen) oder “lediglich” an bestimmte Personen geschickt wurden – so kann dieses Jahr doch mit Recht als Beginn der Reformation angesehen werden, denn sie war der erste große Akt der Auflehnung Luthers gegen die Kirche. Es folgten weitere Schritte und Konsequenzen, die Luther 1517 in dieser Tragweite sicherlich nicht bewusst waren.

Reformation, Gegenreformation, katholische Reform, Konfessionalisierung

In der Geschichtsschreibung wurde zunächst die ersten Jahre nach 1517 als die Zeit der Reformation bezeichnet, der die Gegenreformation als Reaktion der katholischen Seite folgte. Mit der Erkenntnis, dass die Gegenreformation nicht nur eine Reaktion auf die Reformation war, sondern durchaus auch eigenständige Züge einer Reform der (katholischen) Kirche zeigte, sprach man dann auch von der „katholischen Reform“.

Um die parallelen Entwicklungen auf beiden Seiten (protestantischer und katholischer) ebenso besser ins Blickfeld zu rücken, wie z.B. den Einfluss der sich verfestigenden Konfessionen auf das politische und soziale Leben, wurde der Begriff der „Konfessionalisierung“ gesetzt. Inwieweit die Konfessionalisierung tatsächlich auch die Modernisierung der Gesellschaft vorantrieb, ist in der Geschichtsforschung umstritten.

Wenn von Konfessionalisierung die Rede ist, geht es um die drei in Deutschland anerkannten Bekenntnisse: das römisch-katholische, das lutherische und das reformierte. Die zeitliche Grenze zwischen Reformation und Konfessionalisierung ist umstritten: Wenn man die Reformation als eine durch Martin Luther ausgelöste Bewegung ansieht, die in die Aufspaltung der römisch-katholischen Kirche mündete, so ist der Zeitpunkt, da die drei Konfessionen faktisch vorhanden oder festgeschrieben worden waren, als Beginn der Konfessionalisierung anzusehen. Hierfür werden in der Forschung verschiedene Daten genannt: 1555 (Augsburger Religionsfrieden), 1577 (Konkordienformel) oder 1580 (Konkordienbuch).

Der Verlauf der Reformation

Luthers Lehren fanden relativ schnell prominente, aber auch weniger bekannte Anhänger. Seine Lehre verbreitete  sich

  • durch seine Schriften, v.a. die deutschsprachigen „An den christlichen Adel deutscher Nation“ und „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ aus dem Jahre 1520;
  • durch sein öffentliches Auftreten, z.B. bei verschiedenen Streitgeprächen (Disputationen) in Heidelberg (1518) und Leipzig (1519) oder auf dem Wormser Reichstag (1521);
  • über die gewonnenen Anhänger: Fürsten, reichsstädtische Regierungen (die also direkt dem König unterstanden), aber auch dem „gemeinen Mann“.

Die zwei Reichstage von Speyer 1526 und 1529 zeigten deutlich auf, wie stark die reformatorische Bewegung bereits gegen Ende der 1520er Jahre geworden war. Der Kaiser musste Zugeständnisse an die evangelischen Stände machen, sein Vorhaben, das Wormser Edikt von 1521 (also die Reichsacht des Kaisers gegen Martin Luther und das Verbot der Lektüre und Verbreitung seiner Schriften) im Reich durchzusetzen, scheiterte. Die Gefahr durch die Türken, die ein gemeinsames politisches Handeln des Heiligen Römischen Reiches erforderten, nötigte dem Kaiser weiteres Entgegenkommen ab: Er brauchte die militärische Unterstützung der evangelischen Stände. Den Reichsständen wurde 1526 zugestanden, über den Umgang mit dem Edikt und damit über den Umgang mit reformatorischen Bestrebungen selbst zu entscheiden, so, wie sein Gewissen es gegenüber Gott und Kaiser zuließe. Damit konnte sich die reformatorische Bewegung weiter ausbreiten. Der zweite Reichstag 1529 hob diese Regelung wieder auf, allerdings sollte die neue Lehre dort bestehen bleiben dürfen, wo sie bereits eingeführt worden war.

Verschiedene Versuche zur Einigung scheiterten: die Marburger Gespräche auf dem Schloss des Landgrafen Philipp von Hessen. Er hatte dazu eingeladen, um die unterschiedlichen reformatorischen Strömungen zu einigen; oder der Augsburger Reichstag. Für die Beratungen legten die reformatorischen Gruppen ihre Lehrbekenntnisse vor. Der Kaiser und die Mehrheit im Reichstag sprachen sich gegen die Confessio Augustana aus. Die Kluft zwischen den Anhängern der alten Kirche und den Reformatoren wurde größer. (Mehr dazu unter 1530: Augsburger Reichstag und die Confessio Augustana.) Religionsgespräche zwischen der katholischen Seite und den Protestanten fanden in Hagenau und Worms, später dann in Regensburg statt – ohne Erfolg.

Es entstanden einige wichtige Kirchenordnungen, die zu den wichtigsten Instrumenten zur Durchsetzung der protestantischen Konfession in den einzelnen Ländern gehörten, z.B. die Braunschweiger Kirchenordnung von Johannes Buchenhagen (1528), die als Vorbild weiterer Ordnungen diente, und die Brandenburg-Nürnberger Kirchenordnung von 1533.

1536/37 griff die Reformation nach Dänemark und Norwegen, 1543 wird der Kölner Erzbischof Hermann von Wied protestantisch, 1545 entstehen erste calvinistische Gemeinden am Niederrhein, in demselben Jahr erschien Luthers letzte große Schrift “Wider das Papsttum zu Rom”. Und was machte die katholische Seite?

Vor allem aufgrund der reformatorischen Begebenheiten wurde der katholische Ruf nach einem Konzil immer lauter, teilweise mit der Hoffnung, eine Einigung mit der protestantischen Seite zu erzielen, teilweise mit der Forderung, sich klar und ggf. mit eigenen Reformen von diesen abzugrenzen. Inhaltlich befasste sich das Trienter Konzil (auch Tridentinum genannt) 1545 bis 1563 mit nahezu allen drängenden theologischen Fragen des Jahrhunderts. Über die Bedeutung des Konzils, seiner Nachhaltigkeit gibt es in der historischen Forschung unterschiedliche Ansichten.

Unterdessen sorgte der Augsburger Religionsfrieden von 1555 für Fakten: Dieser Friedensvertrag zwischen König Ferdinand I. und den Protestanten, die die Confessio Augustana anerkannten, sicherte den Protestanten ihre reichsrechtliche Anerkennung und ihr „ius reformandi“ zu: Die Konfession des Landesherrn verpflichtete die Untertanen zur Übernahme derselben – cuius regio eius religio (lt., wessen Land, dessen Religion). Für die geistlichen Territorien hingegen galt der so genannte Geistliche Vorbehalt, das Reservatum Ecclesiasticum. Er zog faktisch eine Sicherung des katholischen Bekenntnisses in vielen Ländern des Heiligen Reiches nach sich, da es bestimmte, dass ein geistlicher Territorialherr im Falle eines Konfessionswechsels seine weltliche Herrschaft aufzugeben und sie an einen anderen katholischen Herrn abzugeben hatte. (Weiteres siehe hier: 1555: Augsburger Religionsfrieden.)

Weitere Informationen

Zum Verlauf der Reformation bzw. katholischen Reform siehe die einzelnen Ereignisse in der WebHistoriker-Chronik. Eine Liste davon sowie Literaturtipps und Links zu relevanten Internetseiten und zu Quellen finden Sie auf der Übersichtsseite von WebHistoriker.de zum Thema „Reformation, katholische Reform, Konfessionalisierung“: