Der Dreißigjährige Krieg und der Westfälische Frieden
Der Dreißigjährige Krieg durchlief, grob gesprochen, vier Phasen:
- Böhmisch-pfälzischer Krieg (1618–1623)
- Dänisch-niedersächsischer Krieg (1623–1629)
- Schwedischer Krieg (1630–1635)
- Schwedisch-Französischer Krieg (1635–1648)
(Die Bezeichnungen der einzelnen Phasen zeigen nicht die jeweiligen Kriegsparteien an, sondern kennzeichnen die jeweiligen Kriegsgegner des Kaisers. Die Einteilung wird nicht von allen Historikern vertreten.)
Der Dreißigjährige Krieg war eher eine „Kriegszeit“ als ein klar abgrenzbarer Krieg zwischen zwei oder mehr Kriegsparteien, eine „Kriegsverdichtung“ (Johannes Burkhardt), deren einzelne Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen selbst Zeitgenossen nicht mehr auseinander halten konnten. Und so wurde bereits Mitte des 17. Jahrhunderts der Begriff „Dreißigjähriger Krieg“ gebraucht – als ein Konstrukt für die 30 Jahre Kriegszeit.
Der Krieg begann mit der Niederschlagung des ständischen Aufstands in Böhmen und endete „offiziell“ mit dem Westfälischen Frieden. Er war kein deutscher Krieg, aber ein Krieg, der sich größtenteils auf dem Boden des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation abspielte. Er war nur zum Teil ein Religionskrieg, da er als solcher begann und sich in den ersten Kriegsjahren noch als solcher zeigte. Wie umfangreich die Folgen für die Bevölkerung und die Wirtschaft waren, ist unter Historikern umstritten.
Prager Fenstersturz
Utraquisten, Böhmische Brüder, Calvinisten, Lutheraner und Katholiken – diese 5 größeren Konfessionen existierten zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Böhmen. Ihnen hatte Kaiser Rudolf II. im Jahre 1609 die freie Religionsausübung zugesichert (Majestätsbrief), um seine Position gegenüber der Stellung seines Bruders Matthias zu stärken. Und auch Matthias, nach Rudolfs Tod im Jahre 1612 Kaiser, machte Zugeständnisse an die böhmischen Stände: So erlaubte er den Protestanten beispielsweise den Bau von Kirchen. Und genau wegen des Baus einer evangelischen Kirche auf einem katholischen Grundstück entbrannte ein Streit zwischen Protestanten und Katholiken. Die Kirche musste wieder abgerissen werden.
Dies war der Auslöser, allerdings nicht der alleinige Grund für die offene Rebellion der Protestanten gegen den Kaiser. Vorangegangen waren eine Reihe von gegenreformatorischen Aktionen Ferdinands von der Steiermark, seit 1617 König von Böhmen. Die Protestanten riefen eine Versammlung der evangelischen Stände nach Prag ein. Der Kaiser schickte daraufhin Abgesandte nach Prag, die jedoch aus dem Fenster der Prager Burg geworfen wurden. Sie überlebten und berichteten dem Kaiser von dem Vorfall. Der Fenstersturz gilt als Auslöser des Dreißigjährigen Krieges.
1618-1623: Böhmisch-Pfälzischer Krieg / Confoederatio Bohemica / Schlacht am Weißen Berg
Nachdem die rebellierenden Stände die Macht in Böhmen übernommen hatten, stellten sie auch ein Herr auf und gaben sich sich eine Verfassung (Konföderationsakte vom 31. Juli 1619). Sie setzten Ferdinand ab und den calvinistischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz als neuen König ein. Mit den oppositionellen Ständen Nieder- und Oberösterreichs verbündeten sie sich, woraufhin der gerade gewählte Kaiser Ferdinand Bündnisse mit Bayern und Sachsen schloss.
Unterdessen schlossen die protestantische Union und die katholische Liga den sogenannten Ulmer Waffenstillstand ab, einen gegenseitigen Nichtanfgriffspakt. In Anbetracht dessen, dass dem katholischen Bayern nun kein Angriff der Unionsheere drohte, konnten sie sich der böhmischen Angelegenheiten annehmen.
Die protestantische Union stand dem bühmischen König demnach nicht zur Seite und auch sein Schwiegervater, der englische König Jakob I. zeigte keine Anzeichen, sich einzumischen.So trat Friedrich V. ohne Bundesgenossen nahezu chancenlos der Armee des bayerischen Herzogs und eines kasierlichen Kontingents entgegen. Die folgende Schlacht am Weißen Berg (1620) vor den Toren Prags wurde zu einem entscheidenden Sieg der kaiserlich-katholischen Seite.
Es folgte eine z.T. brutale und grausame Rekatholisierung Böhmens. Friedrich V., kurzzeitiger böhmischer König, verlor die Oberpfalz und die Kurwürde an Maximilian I. von Bayern. Zudem verhängte der Kaiser die Reichsacht über ihn, und Friedrich ging nach Holland ins Exil.
Mittlerweile entbrannte in der Kurpfalz der nächste Krieg. Der spanische Heerführer Ambrosio Spinola drang bereits im Frühjahr 1620 in die Pfalz ein, zog sich jedoch wegen anderer Kämpfe wieder in die Niederlande zurück. Währenddessen scharten Anhänger Friedrichs Kriegstruppen um sich, teilweise Reste der alten, böhmischen Heere. Graf Ernst von Mansfeld, Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach und Herzog Christian von Braunschweig kämpften gegen die Ligaheere des Feldherrn Johann ’t Serclaes Tilly: Gegen Ernst von Mansfeld musste sich Tilly im April 1622 bei Wiesloch (südlich von Heidelberg) zwar geschlagen geben, fügte Markgraf Georg Friedrich allerdings im Mai bei Wimpfen (nördlich von Heilbronn) eine Niderlage zu. Das Heer Christians von Braunschweig wurde im Juni 1622 von Tilly geschlagen. Die Protestanten mussten sich aus der Kurpfalz zurückziehen, die schließlich, auf Befehl des Kaisers und gegen den Willen fast aller Fürsten, Maximilian von Bayern zufiel. (Schmidt: Der Dreißigjährige Krieg, 5. Aufl., München 2002, S. 35)
1623-1629: Dänisch-niedersächsischer Krieg / Eingreifen Wallensteins / Schlacht bei Dessau /Friede von Lübeck
Im August 1623 fügte der Heerführer der Katholischen Liga, Johann ’t Serclaes Graf von Tilly, den Truppen des Herzogs Christian von Braunschweig in der Schlacht von Stadtlohn (im heutigen westlichen Münsterland) eine neuerliche Niederlage zu. Tilly wurde vom Kaiser zum Grafen ernannt und ließ seine Truppen im eigentlich protestantischen Gebiet in Westfalen das Winterquartier beziehen.
Nach all den Erfolgen des katholischen Ligaheeres wuchs die Angst, dass auch der nördliche Teil des Reiches wieder rekatholisiert werden könnte – und die Angst der Nachbarländer vor einem Übergewicht des Hauses Habsburg.
Der dänische König Christian IV., der gleichzeitig Herzog von Schleswig und Holstein war, stellte daraufhin Truppen auf. Entgegen den Abmachungen, diese Truppen nur im niedersächsischen Reichskreis einzusetzen, zog der im April 1625 zum Kreisoberst gewählte Christian nach Westfalen.
Auch Ernst von Mansfeld griff nun wieder mit neu aufgestellten Truppen in das Geschehen ein. Er wollte nach Böhmen weiterziehen, doch ein bekannter Feldherr, der bereits seit Beginn des Dreißigjährigen Krieges mitmischte und in den folgenden Jahren große Bekanntheit erlangen sollte, stellte sich ihm entgegen: Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, besser bekannt unter dem Namen Wallenstein. Er bot dem Kaiser die Aufstellung eines 24.000 Soldaten umfassendes Herr auf eigene Kosten an – über die Gründe kann nur gemutmaßt werden. Der Kaiser, bislang angewiesen auf das Heer von Tilly, war einverstanden. Wallenstein schlug Ernst von Mansfelds Truppen im April 1626 bei Dessau, die sich auf dem Weg nach Böhmen befanden. Mansfeld kann entkommen, stirbt jedoch kurz darauf.
Ein paar Monate später besiegte Tilly den dänischen König – und vieles deutete auf einen endgültigen Sieg des Kaisers und der katholischen Seite hin – doch Wallenstein wurde dringend im Süden, in Österreich benötigt, wo ein Bauernaufstand ausgebrochen war. Sein zögerliches Handeln dort ließ jedoch das Misstrauen vieler deutscher katholischer Fürsten gegen ihn weiter wachsen – schon zuvor war ihnen dieser „Emporkömmling“ suspekt. Dies nahm noch zu, als Wallenstein das Heer von Tilly übernahm und, nach der Eroberung des dänischen Festlandes – Christian IV. musste sich schließlich auf die dänischen Inseln zurück ziehen – vom Kaiser das Herzogtum Mecklenburg als Lehen erhielt.
Z.T. in Geheimverhandlungen handelte Wallenstein mit dem dänischen König einen Friedensvertrag (Friede von Lübeck) aus, der Christian IV. relativ große Zugeständnisse machte: Er erhielt seine Herzogtümer Schleswig und Holstein zurück, durfte sich aber nicht mehr in die deutschen Angelegenheiten einmischen, außer wenn sie seine Besitzungen Holstein und Schleswig betrafen.
1630-1635: Schwedischer Krieg / Breitenfeld / Lützen / Friede von Prag
König Gustav II. Adolf von Schweden griff 1630 in den Krieg ein. Über seine Motive ist sich die historische Wissenschaft nicht ganz einig. Es war wohl eine Mischung aus religiösen, politischen und persönlichen Absichten: die Sorge um den Schutz der evangelischen Konfession, die Ostseepläne der Habsburger, die wirtschaftliche Nachteile für Schweden bedeutet hätten, die Bedrohung des schwedischen Status in Polen und Litauen.
Waren die evangelischen Fürsten zunächst noch gespalten, ob sie Gustav Adolf unterstützen sollten oder nicht, änderte sich die Einstellung der meisten nach der Eroberung des protestantischen Magdeburgs durch die katholische Liga und den ersten schwedischen Militärerfolgen.
Zu den bedeutsamsten Erfolgen der Schweden zählen die Schlacht von Breitenfeld (1631), die den Weg Gustav Adolfs nach Süddeutschland freimachte, der Einzug in München und die Schlacht von Lützen (1632), bei der der schwedische König sein Leben ließ. Auch sein Gegner, Wallenstein, der erneut vom Kaiser berufen wurde, starb – nachdem er gegen den Willen des Kaisers Verhandlungen führte. Offiziere brachten Wallenstein auf Geheiß des Kaisers um (1634).
Die wechselhafte Kriegsphase wurde 1635 mit dem Frieden von Prag beendet. Kaiser Ferdinand II. machte den Protestanten wichtige Zugeständnisse und einigte sich mit ihnen auf den Frieden: So ließ er beispielsweise das Restitutionsedikt von 1629 fallen.
1635–1648: Schwedisch-Französischer Krieg
Der Kriegseintritt Frankreichs auf der Seite der Schweden leitete die letzte Phase eines Krieges ein, der fortan ein nur schwerlich einzuordnenedes Konglomerat an kleineren Auseinandersetzungen darstellte. Schon die Ausgangslage mutet befremdlich an, zeigt aber auch, dass der Drießigjährige Krieg schon lange kein Religionskrieg mehr war: Das katholische Frankreich stellt sich mit dem katholischen Bischof Richelieu auf die Seite der lutherischen Schweden, um gegen den katholischen Kaiser zu kämpfen.
Richelieu sah gerade in der spanischen Linie der Habsburgern eine ständige Bedrohung für sein Land. Das führte schon zuvor dazu, dass er Schweden und die protestantischen Fürsten, die ebenfalls an einer Niederlage der Habsburger interessiert waren, für den Krieg gegen die Habsburger finanziell unterstützte, eine verdeckte Kriegsführung unternahm.
1634 sah Richelieu die mögliche Einigung der im Krieg befindlichen Länder mit Unbehagen und fürchtete, dass das Reich sein Land angreifen könnte. Dagegen sollte ein eigener Angriff helfen – was in den Augen des Bischofs wiederum den Vorteil hätte, dass der Krieg vom eigenen Land ferngehalten werden könnte. Er fand in Herzog Bernhard von Weimar und Landgraf Wilhelm V. von Hessen zwei Verbündete. Außerdem schloss er mit Schweden ein Bündnis.
Nach unzähligen kleineren Konflikten, die die Bevölkerung ratlos zurückließen, wer den nun Feind, werd Freund sei, gab es ab 1643 Friedensverhandlungen zwischen Deutschland, Frankreich und Schweden. Doch erst 1648 kam es endgültig zu einem Friedensabkommen: dem Westfälischen Frieden.
Westfälischer Friede
Der Westfälische Friede von 1648 bestand aus den Friedensschlüssen von Münster (zwischen Frankreich und dem Kaiser) und Osnabrück (zwischen Schweden und dem Kaiser). Hinzu kam ein Sonder-Friedensvertrag, der die Unabhängigkeit der Niederlande von Spanien festschrieb.
Bereits 1641 legte der Kaiser die Städte Münster und Osnabrück als Orte für anstehende Friedensverhandlungen fest, 1643/44 trafen die ersten Gesandten ein. Als Vermittler für die Absprachen unter den katholischen Teilnehmern und Mächten wurde der päpstliche Nuntius in Köln, Fabio Chighi, der spätere Papst Alexander VII., berufen. Zur Seite wurde ihm der venezianische Diplomat Alvise Contarini, der für die Kontakte zur protestantischen Seite stand.
Die Friedensverhandlungen sollten ein großes Ereignis werden, wenn man sich allein die Zahlen der Anwesenden ansieht: Allein die zwei französischen Gesandten brachten über 350 Begleiter mit, die schwedische Delegation umfasste über 160 Personen, aus dem Reich kamen allein „über zweihundert Diplomaten“. (Nach Lahrkamp: Dreißigjähriger Krieg – Westfälischer Frieden, 3. Aufl., 1999, S. 240 ff.)
Die eigentlichen Verhandlungen dauerten schleißlich 4 Jahre, von 1644 bis 1648.
Innerhalb des Reichs kam es zu einer deutlichen Stärkung der Reichsstände gegenüber dem Kaiser. Sie konnten von nun an fast wie eigene Staatsgewalten handeln, sowohl innen- als auch außenpolitisch.
Der Westfälische Frieden regelte zudem die konfessionellen Angelegenheiten innerhalb des Reiches: Der Konfessionsstand sollte unverändert bleiben und nicht, je nach Bekenntnis des Landesherrn, wechseln. Als Stichdatum wurde der 1. Januar 1624 festgelegt, der auch den konfessionellen Besitzstand betraf.
Frankreich und Schweden gingen gestärkt aus dem Krieg hervor: Zwar waren die Gebiete, die Frankreich zugesprochen wurden, relativ klein, jedoch strategisch wertvoll gelegen. Dadurch konnte das Land machtpolitisch Spanien überholen. Schweden entwickelte sich zu einer Großmacht – einzelne Territorien des Reichs gingen an dieses Land, z. B. das Erzbistum Bremen und das Bistum Verden. Dadurch besaßen schwedische Vertreter gar Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht im deutschen Reichstag.