Sterben, Tod und Jenseits – die Ansichten in Spätmittelalter und Früher Neuzeit
ars moriendi: die Kunst des Sterbens (Forts.)
In vielen Schriften der ars moriendi-Literatur ist ein Kampf zu beobachten: ein Kampf zwischen Gut und Böse, der direkt am Sterbebett ausgetragen wird. Schutzengel, die Jungfrau Maria oder gar die Heilige Dreifaltigkeit auf der einen, der guten, Satan und seine dämonischen Anhänger auf der anderen, der bösen Seite. (Ariès, Geschichte des Todes, S. 138f.)
Nicht länger das Jüngste Gericht entschied also nun über das weitere Geschick, sondern die letzte Prüfung, die der Sterbende über sich ergehen lassen musste: „Mit Versuchungen im Glauben, mit Verzweiflung, Ungeduld, Hochmut und mit der Erinnerung an irdische Güter dedrängte der Teufel den Menschen, der jedoch Trost und Zuversicht aus dem Beistand der himmlischen Mächte ziehen konnte (…).“ (Münch, Lebensformen, S. 481)
Von den überirdischen Wesen und den Kämpfen scheinen die Umstehenden nichts mitzubekommen. Tatsächlich starb man nicht allein – Angehörige, Freunde und Bekannte begleiteten den Sterbenden in seiner letzten Stunde.
Und sie alle hatten, zumindest in katholischen Gebieten, auch nach dem Tod noch ein Wort mitzureden, wenn es darum ging, sicherzustellen, dass die Seele des Gestorbenen auch tatsächlich in das Paradies gelangte: Der wohlvorbereitete Tod allein reichte nicht aus, Fürbitten, Ablässe und Messen taten das Übrige.
Anhang: Bilder zur Geschichte von Sterben, Tod und Jenseits
Hieronymus Bosch: Der Tod eines Geizhalses (Ausschnitt)
Bereits den Betrachtern zu Hieronymus Boschs Lebzeiten erschienen seine Bilder merkwürdig, fantastisch, bizarr, rätselhaft und mehrdeutig. Bosch hat eine Reihe Gemälde hinterlassen, die kaum in kunsthistorische Schubladen passen.
Sein „Tod eines Geizhalses“ greift ein Thema auf, dass bereits in einem seiner großen Frühwerke thematisiert wurde: die Sieben Todsünden. Das 93 x 31 cm große Werk zeigt die Folgen der Habgier auf. Ihr einmal verfallen, lässt die Habgier den Menschen nicht einmal in der Todesstunde los.
Allgemein wird angenommen, dass der über die Truhe gebeugte Mann und der Sterbende ein und dieselbe Person sind, auch wenn die vordere Person älter erscheint als der im Bett Sitzende. Zu Lebzeiten hat der Mann großen Reichtum angehäuft – darauf weist der gefüllte Geldsack in der Truhe hin, in den er weitere Münzen einwirft. Die abgelegte Kleidung und die Teile einer Rüstung mitsamt Schwert deuten darauf hin, dass der Sterbende dem Adel angehörte.
Das Bild zeigt sehr schön die in der Ars moriendi-Literatur dargestellte letzte Versuchung auf. Gut und Böse kämpfen um die Seele des Sterbenden. Der Engel rechts schaut auf den kleinen Lichtstrahl, der von dem Kreuz Christi (oben links) genau in Richtung des Geizhalses strahlt, und sucht ihn mit einer Geste auf diesen Strahl aufmerksam machen zu wollen. Gleichzeitig wartet über dem Bett eine teuflische Gestalt auf das Ausfahren der Seele.
Der Blick des Sterbenden ist auf den eintretenden Tod, ein Skelett mit einem Pfeil, gerichtet. Und: Das Böse scheint zu siegen, denn die rechte Hand des Geizhalses schickt sich an, den Geldsack eines teuflischen Wesens entgegen zu nehmen.
Unklar ist die Bedeutung des geflügelten Wesens mit menschlichem Gesicht, das über der abgelegten Kleidung im Vordergrund zu sehen ist. Dieses Gesicht taucht auf mehreren Bildern Boschs auf – hat er sich selbst darin verewigt?
Leben und Werk Hieronymus Boschs:
- 1450 geb. in ’s-Hertogenbosch
- Erlernung der Malerei bei seinem Vater und Großvater
- gegen 1480 selbständiger Meister
- gest. 1516 in ’s-Hertogenbosch
Hieronymus Bosch, eigentlich Jeronimus Bosch van Aken, gilt als einer der eigenwilligsten Künstler seiner Zeit. Seine Bilder enthalten herkömmliche Stilelemente, werden jedoch immer wieder mit fantastischen und symbolreichen, dadurch oftmals allerdings schwer zu deutenden Elementen angereichert. Dämonische Figuren und Fabelwesen mit höllischen Fratzen, angsteinflößende Darstellungen von Sünde und Verdammnis, fantastische, ideenreiche Landschaften zeichnen seine Werke aus.