Sterben, Tod und Jenseits – die Ansichten in Spätmittelalter und Früher Neuzeit
ars moriendi: die Kunst des Sterbens
In Spätmittelalter und Früher Neuzeit galt, dass die „sittliche Verfassung des Menschen in seiner Todesstunde (…) sein ewiges Geschick bedingte“ (TRE 4, S. 144). Es war also wichtig, rechtzeitig auf den Tod vorbereitet zu sein – in unsicheren Zeiten, mit Krieg, Hunger und Pest, kein leichtes Unterfangen. Oft kam der Tod mit einer Plötzlichkeit, die die Dauer der Vorbereitung auf den Tod erheblich verkürzen konnte.
Kurz: Schon die Gesunden mussten wissen, was die Sterbestunde mit sich brachte. Dafür schrieben Geistliche Anleitungen über die Kunst des heilsamen Sterbens, die sogenannten ars moriendi. Ursprünglich als Hilfe für junge Priester gedacht, wurden die ars moriendi schließlich auch für den Laien in die Volkssprachen übersetzt. Sie fanden v.a. vom 15. bis 17. Jahrhundert eine weite Verbreitung.
Ein Vorbild dafür war der dritte Teil („De arte moriendi“) der Schrift „Opus tripartium“ von Johannes Gerson (1363-1429). Die Abhandlung Gersons bestand, wie viele nachfolgende Schriften, aus drei Teilen: Ermutigen, Fragen und Beten. Darüber hinaus liefert der Verfasser Hinweise zur praktischen Handhabung. (Neher, Ars moriendi, S. 187)
Hinzu kamen immer mehr Sterbebücher: die sogenannten Bilder-Artes, die mit Bild und Text ausgestattet waren. Auch sie hatten den Zweck, dem Sterbenden die vor ihm liegenden Geschehnisse vor Augen zu führen, „damit er sich wappnen könne“ (ebd., S. 71).
Doch was genau hatte der Sterbende zu erwarten? Wie musste sich der Einzelne vorbereiten, dass er sich seines Seelenheils sicher sein könnte? Worin bestand die Kunst des Sterbens?
Anhang: Bilder zur Geschichte von Sterben, Tod und Jenseits
Andrea Mantegna: Tod Mariä, um 1455; Madrid, Museo del Prado
Über den Tod der Mutter Christi berichten lediglich apokryphe Evangelien. Trotzdem gibt es eine Reihe von Gemälden, die die Sterbestunde der Maria zeigen.
Das 54 x 42 cm große Gemälde Mantegnas, das im Museo del Prado (Madrid) zu sehen ist, war Teil des Altars einer Kapelle im Familienschloss des Markgrafs von Mantua, Ludovicos III. Gonzoga. Es zeigt Maria, mit gefaltenen Händen auf einem Totentisch. Um sie herum sind 11 Heilige zu sehen, einige in ruhiger Andacht, andere (siehe rechter Ausschnitt) mit trauerverzerrten Gesichtern. Der zwölfte Apostel fehlt: der heilige Thomas, der in fernen Ländern predigte.
Ein Heiliger beugt sich über Maria und schwenkt das Weihrauchgefäß. Ein Heiliger (ganz rechts) hat sich bereits etwas abgewandt, mit seinem Blick und seinem Körper, daneben schaut ein weiterer verzweifelt auf die linke große Kerze – erlischt sie gerade? Dies wäre ein Hinweis darauf, dass Maria soeben stirbt. Ganz links ist der Apostel Johannes (jung und mit Palmenzweig) zu sehen.
Viel Raum nimmt im Hintergrund eine Fensteröffnung ein, die eine Stadt zeigt – der Maler versetzte die Szene von Jerusalem nach Mantua, genauer: in das Schloss des Herzogs. Dies war in der Kunst dieser Zeit im übrigen nicht ungewöhnlich, dass historische Szenen mit Zeitgenössisches verziert wurden.
Leben und Werk Andrea Mantegnas:
- 1430/31 geb. bei Piazzola
- Kindheit in Padua
- Ausbildung in der Werkstatt von Francesco Squarcione
- 1448-57 Mitarbeiter an der Ausmalung der Ovetarie-Kapelle in der Chiesa degli Eremitani in Padua
- 1453 Hochzeit mit Nicolosia Bellini, der Schwester Giovanni Bellinis
- 1456 Berufung zum Hofmaler Ludovicos III. Gonzoga. Markgraf von Mantua
- 1506 gest. in Mantua
Neben seinem Schwager Giovanni Bellini war Andrea Mantegna der bedeutendste Künstler der Frührenaissance Oberitaliens.
Bereits als junger Künstler erhielt er große Aufträge: So schuf er u.a. die Fresken der Eremitani-Kirche in Padua (seit 1448), das „Polyptychon des heiligen Lukas“ (1453-55) und den veronesischen Hochaltar in San Zeno (1456-59).
Mantegna entwickelte einige neue künstlerische Ausdrucksformen, so etwa in der Perspektive oder in der Machart seiner Porträts und Andachtsbilder. Große Beachtung fanden zudem seine Fresken der Camera degli Sposi im Palazzo Ducale in Mantua (1474 fertiggestellt) und die Tafeln des Pestheiligen Sebastian.
Als Kupferstecher trat Mantegna ab 1470 in Erscheinung und beeinflusste damit auch die Werke Albrecht Dürers.