Sterben, Tod und Jenseits – die Ansichten in Spätmittelalter und Früher Neuzeit
Totentänze
Etwa zur gleichen Zeit wie die Ars moriendi-Literatur entstanden die Totentänze, die in Text und Bild die Vergänglichkeit des Menschen, die Allgegenwart des Todes für Alt und Jung, Frau und Mann, Reich und Arm, Adelige, Geistliche, Bürger und Bauern darstellten. Der Tod verschonte keinen – das ist die Hauptaussage der Totentänze.
Der Totentanz stammt wohl aus Frankreich, den Anfang machte vielleicht 1424 der danse macabre am Friedhof der Unschuldigen Kinder in Paris. (Kaiser, Der tanzende Tod, S. 26)
Ein Toter, mehr oder minder verwest, tanzt um den (noch) Lebenden, fasst ihn an die Hand, um ihn mitzureissen. In vielen Fällen ist der Tote nackt, manchmal trägt er ein Leinentuch (siehe rechts) oder einen Umhang. Teilweise hat er einen aufgeschnittenen Bauch, in dem sich Schlangen winden. Der Tote spielt dabei z.T. ein Musikinstrument, hält eine Sanduhr als Zeichen der Vergänglichkeit in seiner Hand.
Vor allem im Spätmittelalter ist diese ursprüngliche Form des Totentanzes anzutreffen. Sie erlaubte, „den Schrecken des Todes in Wort und Bild zu fassen und dadurch zu beherrschen.“ (Ohler, Sterben und Tod, S. 268) Mitten im Leben erschien der Tod und zeigte sich übermächtig – dies mag auf die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts wiederholt auftretenden Pest hindeuten, die den Menschen plötzlich und unerwartet traf und tötete.
Doch die spätmittelalterlichen Totentänze und ihre Nachfolger in der Frühen Neuzeit besaßen noch einen anderen Zweck: Kritik an vermeintlich überkommenen Gesellschaftsstrukturen…
Anhang: Bilder zur Geschichte von Sterben, Tod und Jenseits
Bernt Notke: Totentanz (Fragment, Ausschnitt), um 1463/66; Tallin, St. Nikolai
Der Bildschnitzer und Maler Bernt Notke ist wahrscheinlich der Maler dieses Lübecker Totentanzes.
Weder König noch Geistlicher, weder Adeliger noch Bürger verschonte der Tod, der hier in Gestalt eines Skeletts musizierend und tanzend auftritt.
Leben und Werk Bernt Notkes:
- um 1436 geb. in Lübeck
- ab 1467 in Lübeck nachweisbar (Triumphkreuz im Lübecker Dom, 1477)
- 1483 nach Schweden
- ab 1498 wieder in Lübeck bezeugt. Hier unterhielt er eine Werkstatt
- 1508 oder 1509 gest. in Lübeck