Die Hochrenaissance
In der Hochrenaissance, also in den Jahren zwischen 1490 bis 1530, verfestigten sich die die Gedanken und Ideen der Frührenaissance, sie wurden konsequenter und entwickelten sich weiter: Die Wiedergeburt der Antike war nahezu abgeschlossen (s. Roeck: Der Morgen der Welt, 2017, S. 676), das bereits hier und da in der Frührenaissance zu erkennende Schöpfertum des Menschen formierte sich zu einem Selbstbewusstsein, nicht nur Gleichwertiges oder gar Neues, sondern auch Besseres als die Alten (also die Denker und Künstler der Antike) schaffen zu können (Burke: Die europäische Renaissance, 1998, S. 92).
In etlichen Städten Italiens entwickelte sich Großes, und auch wenn Rom zu einem „Zentrum der Innovationen“ wurde, dürfen andere Stätten der Hochrenaissance nicht unterschätzt werden: z.B. Florenz, Venedig oder auch Mailand. Und: „Es war zugleich die Zeit, als man im Norden beanspruchte, mit den Italienern in Wettstreit zu treten.“ (Burke: Die europäische Renaissance, 1998, S. 92)
Wie im Kapitel über die Frührenaissance werden auch in diesem Kapitel die Orte und die Personen, die den Gang der Renaissance formten, näher beschrieben. Im Vordergrund stehen Florenz, Mailand, Rom und Venedig sowie die Künstler Michelangelo, Raffael, Leonardo da Vinci und Tizian. In den einzelnen Kapiteln (Verlinkung dorthin siehe unten) wird jeweils die politische Lage der Stadt vorgestellt. Anschließend steht ein Künstler und eines seiner Werke im Mittelpunkt.
Zunächst jedoch ein Blick in die Geschichte Italiens.
Italien im 15. Jahrhundert
Wenn von Italien zur Zeit der Renaissance die Rede ist, dann ist nicht ein Italien im heutigen Verständnis gemeint: mit einer Hauptstadt, einem Präsidenten und einer Ministerpräsidentin, einem Parlament, einer Untergliederung des Landes in 20 Regionen, die eigene Gesetzgebungsbefugnisse besitzen.
Italien im 15. Jahrhundert ist ein komplizierteres Gebilde. Es gab
- fünf Großmächte: die Republiken Venedig und Florenz, das Herzogtum Mailand, den Kirchenstaat, das Königreich Neapel-Sizilien,
- mehrere Mittelstaaten,
- Einzelherrschaften (auch Signorien genannt),
- viele kleine und kleinste Staaten sowie
- gewisse Herrschaftsgrauzonen (nach Reinhardt: Renaissance in Italien, 2012, S. 16 ff.).
Kompliziert wurde es zudem durch die verschiedenen und vielfach wechselnden Bündnisse, Verflechtungen und Abhängigkeitsverhältnisse. Frankreich, Spanien, das Heilige Römische Reich mischten dabei ebenso mit wie die italienischen Herrschaftsfamilien – z.B. die Medici, die Visconti, die Familie Sforza –, oder auch der Papst. Kleinere Staaten oder Herrschaften lehnten sich ihnen an, ordneten sich ihnen unter, verbündeten sich mit ihnen – oder halt mit deren Gegnern.

Italien nach dem Frieden von Lodi 1454; aus dem Historical Atlas of Modern Europe von 1902. Wikimedia commons (public domain)
All das sorgte für Unruhen, es gab kriegerische Auseinandersetzungen – und dabei viele wechselnde Allianzen. Wichtig für die Zeit, die die Hochrenaissance einleiten sollte, war der sogenannte Frieden von Lodi im Jahre 1454, der die Konflikte und kriegerischen Konfrontationen zwischen dem Mailänder Herrscherhaus der Sforza und der Republik Venedig beendete – und letztlich waren alle fünf oben genannten italienischen Großmächte eingebunden. „Diese Renaissancestaaten entwickeln das System der der ständigen diplomatischen Vertretungen, wie es sich zuerst 1440/60 zwischen den italienischen Hauptstädten herausbildete.“ (Ennen: Europäische Stadt des Mittelalters, 1987, S. 210) Vier relativ ruhige Jahrzehnte folgten, auch wenn das ganze Gebilde auf einem teilweise recht wackeligen Gleichgewichtsgefüge basierte: „In ausgeprägtem Gegensatz zu allen späteren Idealisierungen brachte ‚Lodi‘ keinen vierzigjährigen Glücks- oder auch nur Friedenszustand, sondern nur eine sehr relative Entspannung“, schreibt Volker Reinhardt dazu. (Reinhardt: Renaissance in Italien, 2012, S. 29)
In diese Zeit mit einem „Klima wachsenden Misstrauens“ (Reinhardt: Renaissance in Italien, 2012, S. 33) fiel der Einmarsch des französischen Königs Karl VIII. 1494 nach Italien, um Richtung Süden zu ziehen und das Königreich Neapel einzunehmen. Eine gemeinsame Unternehmung der Großstaaten Italiens gab es nicht: Es wurde für Karl ein recht problemloser Durchmarsch nach Neapel – mit seiner Krönung zum König von Neapel. Auf dem Rückweg hingegen stellten sich die Großmächte gegen den französischen König – bis auf Florenz: Pietro di Medici hatte sich bei Karls Siegeszug gen Süden diesem angebiedert und wurde daraufhin aus Florenz vertrieben. Kurzzeitig trieb der Dominikanerprior Girolamo Savonarola (1452-1498) sein Unwesen in der Stadt.
Ferdinand II. (1469-1496), der eigentliche König von Neapel, schaffte es kurze Zeit später, mit Hilfe kastilischer Truppen, seine Macht in Neapel zurückzuerlangen.
Ruhig wurde es damit nicht: Mit dem Einmarsch Karls VIII. 1494 begannen die so genannten Italienkriege. Es ging letztendlich um die Vorherrschaft in Europa und endete mit der spanisch-habsburgische Vormachtstellung in Europa („Frieden von Cateau-Cambrésis“ im Jahre 1559).
Überblick der einzelnen Beiträge
- Die Hochrenaissance in Florenz: Florenz um 1500 – und die Kunst am Beispiel Michelangelos
- Die Hochrenaissance in Mailand: Mailand um 1500 – und die Kunst am Beispiel Leonardo da Vincis
- Die Hochrenaissance in Rom: Rom um 1500 – und die Kunst an den Beispielen Michelangelos und Raffaels
- Die Hochrenaissance in Venedig: Venedig um 1500 – und die Kunst am Beispiel Tizians
Verwendete Literatur
Peter Burke: Die europäische Renaissance. Zentren und Peripherien. München 1998.
Edith Ennen: Die europäische Stadt des Mittelalters. 4., verbesserte Auflage. Göttingen 1987.
Volker Reinhardt: Die Renaissance in Italien. Geschichte und Kultur. 3., durchgesehene Auflage. München 2012.
Bernd Roeck: Der Morgen der Welt. Geschichte der Renaissance. München 2017.